„Aufbruch jetzt! Niederbayern“

Niederbayerische Landräte-Tagung in Neuschönau

17.7.2020


Die neun niederbayerischen Landräte aus Deggendorf, Dingolfing-Landau, Freyung-Grafenau, Kelheim, Landshut, Passau, Regen, Rottal-Inn und Straubing-Bogen treffen sich in regelmäßigen Abständen, um sich über aktuelle Themen und überregionale Entwicklungen auszutauschen. Das jüngste Treffen fand im Landkreis Freyung-Grafenau, im Nationalparkzentrum Lusen in Neuschönau statt.

Wollen den „Aufbruch jetzt! Niederbayern“ weiter ausbauen: (v.l.) Raimund Kneidinger (Landrat Passau), Regierungspräsident Rainer Haselbeck, Peter Dreier (Landrat Landshut), Werner Bumeder (Landrat Dingolfing-Landau), MdEP Manfred Weber, Michael Fahmüller (Landrat Rottal-Inn), Christian Bernreiter (Landrat Deggendorf), Josef Laumer (Landrat Straubing-Bogen), Dr. Johann Keller von der Geschäftsstelle des Bayerischen Landkreistages, Rita Röhrl (Landrätin Regen), Bezirkstagspräsident Dr. Olaf Heinrich und Sebastian Gruber (Landrat Freyung-Grafenau).


Im Mittelpunkt der Gespräche unter den Landräten stand vor allem die Aufarbeitung der Coronakrise, die Aufrechterhaltung der kommunalen Leistungsfähigkeit aufgrund des zu erwartenden Ausfalls der Gewerbesteuern und der dringend notwendige Ausbau der Digitalisierung im Bereich Schulen und Verwaltung. „Niederbayern muss weiter in Sachen Wirtschaft, Digitalisierung, Forschung und Bildung selbstbewusst gegenüber den Metropolregionen auftreten und dort, wo es nötig ist, die entsprechenden Fördergelder in die Region holen“, betonte der neue Bezirksvorsitzende Sebastian Gruber, Landrat von Freyung-Grafenau.

MdEP Manfred Weber, der bereits am Vormittag ein Gespräch über die Zukunft der Grenzregion mit Bezirksvorsitzendem und FRG-Landrat Sebastian Gruber und Euregio-Geschäftsführer Kaspar Sammer im Europahaus in Freyung führte, hielt am Nachmittag vor dem Regierungspräsidenten Rainer Haselbeck und den anwesenden Spitzenvertretern der niederbayerischen Landkreise ein kurzes Referat und tauschte sich mit den Landräten aus, vor allem, was die neue EU-Förderperiode 2021-2027 und die Vergabe von 750 Milliarden Euro Fördergeldern betrifft.

Dazu erläuterte der Fraktionsvorsitzende der Europäischen Volkspartei im Europaparlament MdEP Manfred Weber die laufenden Verhandlungen in Brüssel und die Chancen, die er für die Grenzregionen sehe. Weber versprach die Anregungen der niederbayerischen Landräte mit nach Brüssel zu nehmen. „Der Termin heute kommt genau richtig“, erklärte Weber, weil man derzeit vor wichtigen Schlüsselentscheidungen zur Verteilung der EU-Fördergelder stehe. „Die EU-Förderungen für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zu Österreich und Tschechien wie das Corona Wiederaufbauprogramm „Next Generation Europe“ sind uns immens wichtig“, erklärte dazu Sebastian Gruber. Manfred Weber pflichtete bei. „Gerade die Grenzregionen, in denen das Zusammenwachsen Europas immer sehr hautnah gelebt wird, sind durch die Grenzsperren von der Corona-Krise überdurchschnittlich hart betroffen gewesen“, so Weber. Der EU-Parlamentarier hat deshalb eine Initiative gestartet, mit deren Hilfe die Grenzregionen in besonderer Weise vom Corona-Wiederaufbaufonds im Gesamtvolumen von 750 Milliarden Euro profitieren könnten. Weber denkt dabei unter anderem an niederschwellige Wirtschaftsförderinstrumente, grenzüberschreitender Mobilitäts- und Infrastrukturmaßnahmen, Aufbau eines gemeinsamen Arbeitsmarktes bis hin zu einer Förderung der Sprachbildung und der Vertiefung von Partnerschaften. „Daraus können bürgernahe, grenzüberschreitende und für die jeweilige Region wichtige Projekte möglichst unbürokratisch gefördert werden“, sagte Weber. Der niederbayerische Europaabgeordnete begrüßte die Initiative der Wiederauflage der Initiative „Aufbruch jetzt! Niederbayern.“ und erläuterte, dass mit den speziellen Corona-Geldern auch Spielraum für Kreativität im Rahmen dieser Initiative gegeben sei.
Auch ein wichtiges Thema sei die Digitalisierung in der Bildung, führte Gruber an, der bei seinen Ausführungen auch die Unterstützung seitens der Regierung in den letzten, wirtschaftlich vollgefüllten Kassen Jahren lobte und nun anführte: „Wir müssen uns die Frage stellen, was kann der Staat in Zukunft noch leisten? Eins ist sicher, dass wir alle in Zukunft sicher den Gürtel enger schnallen müssen“.
Einig waren sich die Landräte bei der Wiederaufnahme des Projekts „Aufbruch jetzt! Niederbayern“. Das Projekt wurde 2011 unter dem damaligen Bezirksvorsitzenden und heutigen Präsidenten des Bayerischen Landkreistages Christian Bernreiter, Landrat in Deggendorf ins Leben gerufen und entstand als Antwort auf eine Prognose des Zukunftsrats der Bayerischen Staatsregierung, die Niederbayern eine rückläufige Bevölkerungsentwicklung voraussagte. Die Initiative sei sehr erfolgreich gewesen, resümierte Bezirksvorsitzender Sebastian Gruber. Jetzt, knapp zehn Jahre danach, sei es an der Zeit, die Effekte zu evaluieren und dort nachzusteuern, wo Niederbayern noch Potential hat. Zu den erfolgreich realisierten Projekten zählen u. a. die Installation der Technologiecampus in Freyung, Grafenau oder Spiegelau, der Goldene Steig als grenzüberschreitender Premiumwanderweg, die Waldwerkstatt des Nationalpark Bayerischer Wald oder das jüngst eröffnete Hinterglaseum in Schönbrunn a. Lusen (INNside berichtete darüber in der aktuellen Juli/August-Ausgabe.

Bernreiter ist sich sicher, dass in nächster Zeit noch viele Gespräche zum Thema Gewerbesteuer-Entlastung seitens des Bundes zu führen sein werden. Von den insgesamt 2,4 Milliarden Euro, die der Bund 2020 zur Verfügung stelle, müsse man sehen, was umlagefähig ist, damit auch die Landkreise und Bezirke etwas davon haben. Der Bayerische Landkreistag werde sich dafür einsetzen, dass die Ausfälle auch über 2020 hinaus kompensiert werden, denn für 2021 habe man noch keine Zusage. Was die Digitalisierung betrifft, „brauchen wir eine Bayerncloud und eine zentrale Systembetreuung“, wünscht sich der Deggendorfer Landrat. Was die lokalen Ausreisesperren betrifft, die Bundeskanzlerin Angela Merkel bei lokalen Virusausbrüchen erwägt, ist er, stellvertretend für alle Kollegen, anderer Meinung: „Wir halten davon nichts“.

Für Regierungspräsident Rainer Haselbeck war der Besuch des EVP-Vorsitzenden und MdEP Manfred Weber vor den bald anstehenden Gesprächen in Brüssel wichtig. „Wir haben in dem Gespräch mit ihm die niederbayerischen Interessen eingebracht. Es ist ein großer Vorteil für uns, dass wir mit Weber einen großen Mitstreiter für unsere Region in Brüssel haben. Bereits in den vergangenen Jahren konnte Niederbayern von vielen Fördermitteln der EU profitieren. Ich glaube, dass Europa entscheidend an den Grenzen entschieden wird. In Grenzgebieten ist der Einsatz der EU-Fördergelder am ehesten sinnvoll und vielversprechend“. Die Regierung von Niederbayern ist auch für den Katastrophenschutz zuständig. Der Corona-Einsatz sei der erste landesweite und längste geworden. Man habe die Bewährungsprobe mit Bravour bestanden und bewiesen, dass in schwierigen Situationen alle zusammenhelfen und alle Maßnahmen konsequent umgesetzt wurden. Allen Beteiligten gebühre großer Dank. „Aber“, so Haselbeck, „die Herausforderung bleibt.“ Zu den aktuellen Coronoa-Zahlen berichtete Haselbeck, dass derzeit die Rate der positiv getesteten Personen in Bayern bei 1000 getesteten Personen bei 0,3 Prozent liege. Die Gesundheitsämter arbeiten unter erheblicher Belastung“, berichtet der Regierungspräsident, dennoch müsse man der derzeit günstigen Situation mit Vorsicht und Rücksicht begegnen, um auf dem niedrigen Niveau zu bleiben.
„Der Bund, die Gesundheitsämter und die Krankenhäuser in kommunaler Trägerschaft waren die festen Anker in der Corona-Krisenzeit und haben einwandfrei funktioniert“, fügte FRG-Landrat Sebastian Gruber hinzu und hofft, dass dies auch ein Zeichen für den Gesetzgeber sei, die finanzielle Grundlage der Krankenhäuser auf dem Lande so auszustatten, dass sie davon existieren können.
Bezirkstagspräsident Dr. Olaf Heinrich schilderte mit hoher Anerkennung die positive, kollektive Zusammenarbeit für die Behinderten im Bezirk während der Corona-Krise. Für sie seien schnelle und pragmatische Lösungen im Einvernehmen mit den Sozialverbänden gefunden werden. Zudem zeigte er sich zuversichtlich, dass die geplante Medizinerausbildung in Kooperation mit der Karl Landsteiner Privatuniversität für Gesundheitswissenschaften in Krems (Niederösterreich) auf hohem Niveau und nachhaltig realisiert werden könne.

Fotos: Landratsamt Freyung-Grafenau