INNSIDE INNTERVIEW – Der neue Uni-Präsident Prof. Ulrich Bartosch

Die Universität Passau als Ort für zentrale Fragestellungen

8.5.2020


Seit dem 1. April diesen Jahres ist Prof. Ulrich Bartosch Präsident der Universität Passau.

Der Pädagoge und Politikwissenschaftler hat mit uns über die zukünftige Ausrichtung und

die derzeitigen Herausforderungen gesprochen.


Die Fragen stellte Gerd Jakobi
Fotos: Claudia Saller


Sie sind seit kurzem Präsident der Universität Passau. Welche Überschrift würden Sie Ihrer Präsidentschaft geben wollen?
Ganz spontan fällt mir hierzu ein: Aufbruch in der Krise. Es gibt drei große Fragestellungen, die ohnehin feststehen und die unabhängig von der derzeitigen Krisensituation ausgerufen wurden.
Das erste bedeutende Thema ist die Digitalisierung, die gerade jetzt, explizit in der Lehre, einen besonderen Aufschwung erlebt. Es ist großartig zu beobachten, wie viele Menschen sich nun mit
dieser Materie beschäftigen. Um Missverständnissen vorzubeugen: Wir beabsichtigen nicht, eine Online-Universität zu werden. Aber der derzeitige Einsatz von digitalen Lehrmitteln wird Spuren hinterlassen hinsichtlich der Selbstverständlichkeit,
mit dieser Alternative zu arbeiten.

DIGITALISIERUNG – EUROPA – NACHHALTIGKEIT

Der zweite Bereich, den wir im Blick haben, und der aktueller denn je ist, ist Europa. Die Europäische Gemeinschaft und der Europäische Gedanke sind Themen, die wir unbedingt weiterverfolgen müssen. Die Universität Passau ist aufgrund ihrer Lage und Geschichte prädestiniert dafür, neue Impulse zu setzen. Denkbar wäre auch ein Label als Europa-Universität, was mir sehr viel Freude machen und der Uni gut zu Gesicht stehen würde.
Das dritte große und unausweichliche Thema ist die Nachhaltigkeit. Ich bin der Meinung, hier kann die Universität Passau noch zulegen. Der Campus liegt traumhaft zwischen Natur, Gesellschaft und Verkehr und ist dadurch Knotenpunkt, an dem Nachhaltigkeitsthemen bedacht und vorangetrieben werden können.

Welche der vielen Herausforderungen der jetzigen Ausnahmesituation ist für Sie die Schwierigste?
Die derzeit größte Herausforderung ist es, die Online-Lehre technisch zu realisieren. Zum einen ist es die „Hardware“, sprich die Infrastruktur, die geschaffen werden muss, und zum anderen müssen die Lehrenden dafür begeistert und vorbereitet werden. Viele sind darin schon fit, andere sind erst auf dem Weg dahin. Unsere Technik- und Didaktik-Teams leisten großartige Arbeit. Am wichtigsten sind jedoch die Studierenden, die sich darauf einlassen müssen, in dieser Form in das Semester einzusteigen. Eine weitere Besonderheit ist die Kommunikation innerhalb der Verwaltung mit den Dekanaten und dem Präsidium, die derzeit fast ausschließlich über elektronische Medien erfolgt. Ich bin begeistert, wie reibungslos dies vonstattengeht mit Heimarbeitsplätzen und inzwischen sehr routinierten Videokonferenzen. Für mich persönlich, als „Neuer“ hätte ich mir den Start natürlich anders gewünscht, aber ich kann auf eine
funktionierende, abgestimmte Verwaltung zurückgreifen und mich einbinden lassen.

ORT FÜR KOMPLEXE FRAGESTELLUNGEN

Die Universität Passau ist eine Erfolgsgeschichte für die Stadt Passau. Dennoch gab es auch immer wieder Diskussionen um die
Ausrichtung der Universität. Welchen Schwerpunkt wollen Sie setzten?
Die drei Fragestellungen, die wir in der ersten Frage schon behandelt haben, die nicht ich erfunden habe, sondern die quasi in der DNA der Universität verankert sind, können, da bin ich sicher, unsere Hochschule markant prägen. Darüber hinaus möchte ich dazu beitragen, die Uni Passau zu einem Ort für komplexe Fragestellungen zu machen.
Unsere Universität befindet sich mit ihren vier sehr leistungsfähigen Fakultäten in einer Größenordnung, in der eine fruchtbare Interaktion möglich ist. Ich erlebe den Passauer Campus als Vernetzungspunkt von unterschiedlichsten Fragestellungen.
Das Thema Digitalisierung zum Beispiel könnte man in erster Linie als fachlichen und disziplinären Aufgabenschwerpunkt der Fakultät für Informatik und Mathematik sehen. Jedoch müssen sich im Miteinander der Fragestellungen – aus der Gesellschaft heraus – zwischen der Philosophischen, der Juristischen und der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät Themen interdisziplinär
fassen lassen – die Interdisziplinarität ist in Passau über die Jahre teils selbstverständlich, teils gezielt durch Ausbauprogramme herangewachsen. Ich werde mich dafür einsetzen, dass sie weiter gedeiht und Früchte trägt. Ich stelle mir vor, man wirft eine komplexe Fragestellung in die Passauer Uni und diese wird dann zwischen den Fakultäten und Lehrstühlen hin und her gespielt. Diese Spielart, die zum Teil schon jetzt gut funktioniert, möchte ich noch weiter ausbauen. Die Gesellschaft braucht Räume, in denen Entwicklung und Innovation, aber auch wissenschaftliche Analyse stattfinden.
Und das geht nur miteinander. Wir müssen uns den Themen öffnen, diese in der Forschung intensiv vorantreiben, sie aber gleichzeitig zum Beispiel auch in eine ethische Reflexion bringen.

ZUNEIGUNG ZUR STADT UND UNIVERSITÄT PASSAU

Sie kennen Passau auch als Dozent. Was hat sich für Sie verändert seit damals und war die Passauer Zeit für Sie auch ein
Grund, sich hier zu bewerben?
Der Grund für die Bewerbung war, dass ich dazu angesprochen wurde. Die Bereitschaft, darauf zu reagieren gründet in meinen früheren Erfahrungen hier und auch in meiner Zuneigung zur Stadt Passau und zu dieser Universität. Ich war ein Jahr hauptamtlich an der Uni Passau tätig, bevor ich dann im Bereich der beruflichen Rehabilitation für Jugendliche gearbeitet habe. Ich möchte mir nicht anmaßen zu behaupten, Passau aus dieser
Zeit sehr gut zu kennen. Ich habe, allerdings aus der Ferne, die große Hochwasser-Katastrophe beobachtet und voller Bewunderung festgestellt, dass die Verbindung zwischen Universität und Stadt sich dadurch verändert hat. Mein Gefühl ist, dass diese Veränderung noch immer spürbar ist, wenn
sie auch verblassen könnte. Vielleicht finden sich ja Möglichkeiten, die Position der Studierenden in Passau neuerlich zu stärken.

Zum Schluss möchten wir Ihnen natürlich auch unserer INNSIDER-Frage stellen: Mit welchem der drei Flüsse können Sie sich am meisten identifizieren?
Ich bin in Regensburg geboren, von daher ist die Donau mein Fluss. In meiner Jugend bin ich sehr viel auf Donau und Naab gerudert. Wenn ich allerdings jetzt mit dem Rad zur Uni fahre, bezaubert mich der Inn jeden Morgen mit seiner Frische
und Bewegtheit. Er vermittelt mir ein Gefühl von Alpennähe. Und die Ilz mit ihrem Tal ist einfach umwerfend romantisch.


VITA

Geboren in Regensburg (Jahrgang 1960)

Seit 2000 Professor für Pädagogik an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt;
Gastdozent an der Leuphana Universität Lüneburg;
Gastprofessor an der FH Kiel

Studium an der Universität Regensburg (Pädagogik-Diplom und Magister in Politikwissenschaften)

Promotion in Frankfurt am Main zur politischen Ideengeschichte bei Iring Fetscher und Herfried Münkler

Mehrjährige Tätigkeiten als wissenschaftlicher Mitarbeiter bzw. Assistent an den Universitäten
Regensburg und Passau

Leitende Position in der beruflichen Rehabilitation und der Erwachsenenbildung

Vorsitzender der Vereinigung Deutscher Wissenschaftler (VDW), heute Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats der VDW

Mitglied im deutschen Bologna-Expertenteam des Deutschen Akademischen Austauschdiensts
(DAAD)

Vorsitzender des Fachbereichstages
Soziale Arbeit

Federführende Mitwirkung an der Revisionsarbeit zum Deutschen
Hochschulqualifikationsrahmen (HQR) für die
Hochschulrektorenkonferenz (HRK)