INNSIDE-INNTERVIEW: Dr. Thomas Wisspeintner

DIE GUTEN JAHRE HABEN DIE SCHWÄCHEN KASCHIERT, DIE SICH JETZT DEUTLICH ZEIGEN!


29.4.2021


Es ist wohl eine der kreativsten und innovativsten Firmen der Region.
Bei Micro-Epsilon von einem Hidden-Champion zu sprechen ist schon etwas zu viel Understatement.
Kennt sie doch wohl fast jeder in der Region. „Die Micro“, wie sie von den Mitarbeitern liebevoll genannt wird,
mischt mit ihren weltweit gefragten und einzigartigen Produkten bei den ganz großen der Wirtschaftswelt
mit und ist dennoch ihrer Heimat Ortenburg immer treu geblieben. Wie es den Ortenburgern in der
augenblicklichen Krise ergangen ist und wie sich die Zukunft für die Wirtschaft generell darstellt, darüber konnten wir
mit einem der Geschäftsführer Dr. Thomas Wisspeintner vor kurzem per Videochat sprechen.


Die Fragen stellten Claudia Saller & Gerd Jakobi | Fotos: Micro-Epsilon


Wie ist Micro-Epsilon bisher durch die Covid-Krise gekommen?
Wir sind sehr froh darüber, dass sich die Fallzahlen in der Firma bisher weit unter dem Landkreisdurchschnitt bewegen. Durch unser schon früh installiertes Hygienekonzept, das von allen mitgetragen wird, ist es uns auch gelungen, Ansteckungen innerhalb der Firma zu vermeiden und arbeitsfähig zu bleiben. Wir haben uns dabei die Gegebenheiten in jeder Abteilung genau angeschaut, situativ gehandelt und regelmäßig kommuniziert.
Gleichzeitig haben wir die Corona-Zeit genutzt, uns mit einer Vielzahl neuer Produkte und optimierten Strukturen für die Zeit nach der Krise gut aufzustellen. Gerade die Bereiche Maschinenbau und Automotive betreffend mussten auch wir Einschnitte hinnehmen, zum Glück sind wir jedoch bezüglich Branchen und Märkten breit aufgestellt. Die überraschend gute Geschäftsentwicklung in Asien, speziell in China und auch in den USA half uns, gewisse Rückgänge in Deutschland und Europa auszugleichen. Insbesondere Technologiebranchen wie die Halbleiter und Elektronik und Batterieproduktion erfahren gerade eine Sonderkonjunktur.

Wie zufrieden sind Sie mit der Krisen-Politik unserer Regierung?
Eine Enttäuschung über die aktuelle Situation kann ich nicht verleugnen. Die Menschen haben den Verantwortlichen hier in Deutschland, aber auch in Europa, großes Vertrauen geschenkt und nun müssen wir feststellen, dass an vielen Stellen die Handlungsfähigkeit eingeschränkt ist. Die wirtschaftlich guten Jahre der Vergangenheit haben Schwächen kaschiert die sich jetzt in der Krise deutlich zeigen, z. B.in unserem föderalen System, bei der Entscheidungsfindung auf nationaler und europäischer Ebene, der digitalen Infrastruktur im öffentlichen Bereich, der konsequenten Umsetzung der Maßnahmen der Kommunikation und unsere Reaktionsgeschwindigkeit in solch einer Krise. Exemplarisch hierfür ist das Zögern der Europäischen Union bei der Beschaffung von Impfstoff. Weil zu der Zeit, als man mit den Pharmaunternehmen die Verträge hätte abschließen können bzw. müssen, die nötigen Studien und Zulassungen fehlten, haben die zuständigen Gremien das finanzielle Risiko gescheut. Hunderte Milliarden von Hilfsgeldern sind seitdem geflossen, hätten wir einen Bruchteil dieses Geld frühzeitig in mehr Impfstoff investiert, wäre die Situation heute eine wesentlich positivere. Dennoch ist es leicht, im Nachhinein und aus gewisser Entfernung zu kritisieren. Wichtig ist daher, jetzt positiv nach vorne zu blicken aber besonders wichtig ist es auch aus diesen Erfahrungen für die Zukunft lernen.

„KRATIVITÄT, VERÄNDERUNGSBEREITSCHAFT, AGILITÄT UND LEISTUNGSFÄHIGKEIT SPIELEN EINE ZENTRALE ROLLE“

Was sind die Veränderungen, die die Krise nach sich zieht? Kommt jetzt der digitale Schub?
Dass wir uns weltweit derart digital vernetzen und die Kommunikation über digitale Medien wie Videokonferenzen auch in solch einer Krise aufrechterhalten können, wäre vor ein paar Jahren noch nicht denkbar gewesen. Wir haben hier eine enorme Chance, müssen aber auch aufpassen, dass wir international nicht abgehängt werden. Kreativität, Veränderungsbereitschaft, Agilität und Leistungsfähigkeit spielen eine zentrale Rolle, um im internationalen Wettbewerb zu bestehen. Gerade im Bildungsbereich müssen die Themen Digitalisierung und Technik von Anfang an eine zentrale Rolle spielen, um uns zukunftssicher zu machen. Eine wichtige Rolle dabei spielt auch der Umgang mit dem Datenschutz. Gerade in der aktuellen Krisensituation sollten wir abwägen, ob es richtig ist, aufgrund strenger Anwendung des Datenschutzes durch fehlende Vernetzung von Behörden Menschenleben zu gefährden.

„UNSERE REGION HAT STABILITÄT UND POTENTIAL“

Micro Epsilon ist ein Hightech-Unternehmen. Wie sehen Sie die Region in Bezug auf die kommenden Herausforderungen aufgestellt?
Ich sehe unsere Region mit ihrer ländlich geprägten Struktur dafür prädestiniert, mit solch einer Krise umzugehen. Im Gegensatz zu den Großstädten können wir ein besonderes Maß an Resilienz aufweisen, durch eine besondere Mischung aus „Erdung“ und „Miteinander“. Auch wenn in der momentanen Situation das gesellschaftliche Leben z. B. in den Vereinen brachliegt, hat unsere Region die Stabilität und das Potenzial, dies alles wieder aufleben zu lassen und in eine gewisse Normalität zurückzukehren.
Trotz aller Zuversicht dürfen wir aber die vielen dramatischen Einzelschicksale, die durch Corona verursacht sind, nicht vergessen. Hier appelliere ich an alle Verantwortlichen, darauf zu achten, dass die Hilfsgelder an der richtigen Stelle und wirksam verteilt werden.

„DEM SOGENANNTEN REALITÄTSCHECK DÜRFEN WIR NICHT AUS DEM WEG GEHEN“

Sie arbeiten intensiv mit den Hochschulen der Region Passau und Deggendorf zusammen. Was würden Sie sich für deren Entwicklung wünschen?
Auch an den Hochschulen muss das Thema Digitalisierung ein zentrales sein. Die Studienfächer und die Angebote an die Studierenden, aber auch die Vernetzung mit der Wirtschaft und der Industrie müssen ständig weiterentwickelt werden. Wir streben hier einen noch praxisbezogeneren Abgleich der Themen an. Dem sogenannten Realitätscheck dürfen wir nicht aus dem Weg gehen. Wir müssen sichergehen, dass die Themen, die gelehrt werden eine hohe Praxisrelevanz haben, auch und besonders für die Unternehmen in der Region. Wir setzen uns aktiv dafür ein und praktizieren schon viele Jahre eine enge und erfolgreiche Zusammenarbeit mit den Bildungseinrichtungen. Als Industriepartner wollen wir gemeinsam die Zukunftsthemen identifizieren und formulieren. Dass mein Bruder Alexander sich im Universitätsrat der Uni Passau engagiert und mein Vater und Prof. Sellen sich viele Jahre an der Hochschule in Deggendorf engagiert haben zeigt, wie wichtig dieses Thema für uns ist.

„EIN STARTKES, REICHHALTIGES UND LEBENSWERTES UMFELD IST WICHTIG FÜR EINE FIRMA“

Mirco-Epsilon ist ja geradezu vorbildlich, was die Förderung von kulturellen und gesellschaftlichen Initiativen angeht. Was bringt Ihnen das und was können Sie da aus Ihrer Erfahrung heraus weitergeben?
Unsere Firmengruppe verteilt sich auf 27 Standorte weltweit, aber unser Hauptsitz ist Ortenburg, wir leben hier, das ist unsere Heimat. Schon mein Vater hat erkannt, wie wichtig ein stabiles, starkes, reichhaltiges und lebenswertes Umfeld für eine Firma ist. Die Geschäftsführung und die Gesellschafter sind sich einig, dieses Engagement im sozialen und kulturellen Bereich nicht nur weiterzuführen, sondern auch zu vertiefen. Die Lebensqualität hier vor Ort führt zu immer mehr bewussten Entscheidungen, die Stadt zu verlassen und sich hier bei uns niederzulassen. Damit ein Betrieb sich entwickeln und wachsen kann, muss auch die Region sich entwickeln und wachsen.

„STOLZ AUF BETEILIGUNG AN EXTREM INNOVATIVEN PROJEKTEN“

Sie leiten nun seit einigen Jahren das Unternehmen zusammen mit Ihrem Bruder Alexander und Prof. Sellen in der Nachfolge Ihres Vaters Karl Wisspeintner. Wie ist es Ihnen ergangen und wie sehen Sie die Zukunft der Micro-Epsilon?
Mein Vater hat die Firmennachfolge von langer Hand geplant und ich bin froh, hier in diesem Umfeld, zusammen mit Alexander, Prof. Martin Sellen und unserem Prokuristen Andreas Rettenberger in der Geschäftsleitung arbeiten zu dürfen.
Gerade unsere Region ist durch die vielen Zulieferfirmen stark vom Wandel in den Bereichen Automotive und Mobilität und auch von der Krise, die nicht durch Corona ausgelöst wurde, betroffen. Der Trend hin zu Elektromobilität gewinnt zunehmend an Dynamik, gerade auch weil eine neue Generation von Batterien und Speichern entwickelt werden konnte, die in nächster Zeit in Serie produziert werden sollen. Für die Produktion dieser hocheffizienten Batterien, die nicht nur in der E-Mobilität sondern auch bei der Speicherung von Ökostrom relevant sind, können wir einige Lösungen mit unseren Sensoren und Systemen beisteuern und sehen darin, neben der Halbleiter- und Elektronikproduktion eine große Zukunftschance für unser Unternehmen. Dass diese Entwicklung nicht nur in Asien und den USA vorangetrieben wird, sondern auch in Europa und Deutschland, erfüllt mich mit großer Freude. Außerdem investieren wir hier am Standort gerade trotz der Krise und errichten ein Produktionszentrum für Mikromechatronik, ein ganz neues Betätigungsfeld: Die Kombination aus Sensorik und Aktorik. Besonders zukunftsweisend gestaltet sich hierbei die Entwicklung neuer „Fast Steering Mirrors“, also kompakter Präzisionskippspiegel, welche unter anderem in der Luft- und
Raumfahrt eingesetzt werden. Derartige Systeme spielen beispielsweise bei der dem Vorhaben, ein weltumspannendes satellitenbasiertes Internet zu etablieren zukünftig eine zentrale Rolle. Dabei werden mehrere hundert bis tausend Minisatelliten
ins All geschossen. Die Kommunikation der Systeme untereinander geschieht mittels Laserstrahl. Die Feinpositionierung erfolgt über
Fast Steering Mirrors. Eine wirklich spannende Aufgabe und ein sehr motivierender Ausblick!

 
Auch Ihnen sei die INNSIDE-Frage zum Schluss gestellt: Welcher Fluss entspricht am ehesten Ihrem Naturell?
Ich bin ein absoluter Fan des Inn, ich mag seine Frische und den Bezug zu den Bergen. Es ist wunderbar für mich, hier in dieser Grenzregion zu leben und hoffe, dass es bald wieder möglich ist, unsere Österreichischen Nachbarn zu besuchen. Ich mache mit meiner Familie sehr gerne Wanderungen entlang des Inns, aber auch in die Berge, wo der Inn herkommt.

Wir danken für das Gespräch.


Im Video-Chat sprachen wir mit Dr. Thomas Wisspeintner, einem der drei Geschäftsführer des Global Players mit Sitz in Ortenburg

Hinter jedem erfolgreichen Unternehmen stehen kreative und ambitionierte Mitarbeiter