INNSIDE Innterview | Ivan Bakalow

25 JAHRE YOUNG CLASSIC EUROPE: „Talente zu fördern ist absolut faszinierend!"

PASSAU | 30. SEPTEMBER 2022

Seit einem viertel Jahrhundert ist er Herz und Motor des Festivals Young Classic Europe!  Gemeint ist Ivan Bakalow, der unermüdliche Manager eines der erfolgreichsten europäischen Nachwuchs- Klassikfestivals. Er machte Passau zu einem Begriff in der jungen Klassikszene und schaffte es, auch mit den Tochterfestivals in Italien und Österreich dem Nachwuchs ein hervorragendes Sprungbrett zu bieten. Wir hatten Gelegenheit mit dem immer bescheiden auftretenden Musiker und Konzertmanager zu sprechen.


Die Fragen stellte Claudia Saller | Foto: Sebastian Ambrosius
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Seit nunmehr 25 Jahren organisieren Sie das Young Classic Europe Festival hier in Passau. Was treibt Sie an, eine so lange Zeit für den Klassik-Nachwuchs zu arbeiten?

Der große gesellschaftliche und politische Umbruch zum Ende der 80er, Anfang der 90er Jahre und die dadurch entstandene Reisefreiheit hat  vielen sehr talentierten jungen Musiker/innen aus Osteuropa, aber auch aus dem Fernosten, ermöglicht, nach Westen zu kommen, hier zu studieren und nach Auftrittsmöglichkeiten zu suchen. Es gab plötzlich ein riesiges Potenzial und Angebot an sehr jungen, hochtalentierten, nach Auftritten hungrigen Musiker/innen und der Musikmarkt ist innerhalb einiger Jahren viel größer und noch bunter geworden.

Dieses Potenzial zu nutzen und eine neue Plattform den jungen hochbegabten Talenten anzubieten war für mich naheliegend, gar selbstverständlich. Mit vielen großartigen Talenten zusammenzuarbeiten und sie zu fördern war und ist für mich absolut faszinierend und befriedigend.

SPÄTER GEFEIERTE STARS WAREN ZU GAST 

Was waren Ihre Highlights in diesen 25 Jahren? Sind aus Küken dann auch wirkliche Stars geworden?

Viele, zurzeit auf den großen Weltbühnen gefeierte Stars, sind in ganz jungen Jahren im Rahmen des Young Classic Europe-Festival aufgetreten: Alexej Gorlatch mit 12 Jahren, Alice Sara Ott mit 15, Julia Fischer, Igor Levit und Alina Pogostkina mit jeweils 16, Sonya Yoncheva mit 17 Jahren.  Weitere sehr renommierte Solist/innen, Kammerformationen oder Chöre wie Thibaut Garcia, Andrey Baranov, Ellinor D'Melon, Sebastian Manz, Teresa Pilsl, Fedor Rudin, das Aquillon Bläser Quintett, das Armida Quartet, das Appolon Musagete Quartett, das Amatis Trio, das Barbican Quartett, der Audi-Jugendchor, der Kammerchor „Fortissimo“, der Escolania de Montserrat-Knabenchor  und viele andere waren auch Gäste bei unserem Festival.

Das YCE ist ja nicht nur in Passau tätig, sondern hat auch „Filialen“ am Comer See, in Salzburg und auch in Straßburg. Wie kam es dazu?

Ich habe mir schon immer Gedanken über eine „Vernetzung“ des Festivals gemacht, auch deswegen lautet seit 2011 der Dachbegriff „Young Classic Europe“. An allen diesen Ortschaften habe ich gute Kontakte, auf die ich mich verlassen kann. In Ljubljana hatten wir Konzerte 2011 und 2012, seit 2012 sind wir dauernd in Salzburg und am Comer See präsent, Anfang 2020 hatten wir unser Debüt in Straßburg, wo, nach zwei Jahren Corona-Pause, eine Fortsetzung in Aussicht ist.

Der Sinn einer solchen „Vernetzung“ ist, die europäische Idee und den Charakter des Festivals, aber auch seine Bedeutung zu unterstreichen, neue Bühnen, neue Kontakte, anderes Publikum zu erschließen, aber auch den jungen Musiker/innen neue Auftrittsmöglichkeiten zu bieten und nicht zuletzt unser Profil zu schärfen.

NICHT NUR KONZERTE BEIM FESTIVAL 

Sie veranstalten ja nicht nur Konzerte, sondern auch Workshops und Diskussionen. Wie geht es mit dem Festival weiter in den nächsten Jahren?

Seit 2002 bieten wir im Rahmen des Young Classic Europe-Festivals Meisterkurse und seit 13 Jahren auch Podiumsdiskussionen an.

Während unserer Meisterkurse haben in den letzten 20 Jahren viele junge Talente die große Chance genutzt, bei weltberühmten Solist/innen und Pädagog/innen wie Igor Oistrakh, Zakhar Bron, Karl Heinz Kämmerling, Eliot Fisk, Natalia Gutman, Heinrich Schiff, Pierre Amoyal, Raina Kabaivanska, Peter Sadlo oder Andreas Weber zu lernen und wertvolle Erfahrungen zu sammeln.

Wir werden uns auch in der Zukunft sehr bemühen, unser ganz hohes Niveau zu halten, interessante und vielfältige Programme zu bieten, die bereits vorhandenen Standorte noch besser zu nutzen und auszubauen und noch mehr Kontakte zwischen den jungen Teilnehmer/innen zu ermöglichen. Und, natürlich - noch mehr Sponsoren und Förderer für das Festival zu gewinnen, um uns weiter entwickeln zu können.

FLEISS, AUSDAUER UND ZIELSTREBIGKEIT SIND NÖTIG 

Was würden Sie einem jungen Musiker raten, der eine Profikarriere anstrebt?

Beruflich  Musik zu machen ist eine schöne Sache. Man muss aber wissen, dass die Ausbildung dafür sehr lang und mühsam ist und obwohl Deutschland die meisten Kulturorchester und Musiktheater  der Welt hat, ist die Konkurrenz für jede Stelle, besonders in den letzten Jahren, sehr hart und das Niveau der Bewerber (auch wegen der bereits erwähnten Globalisierung) ganz hoch.

Eine solistische Karriere anzustreben ist wieder eine andere Sache. Angenommen, dass der/die Anfänger/in genug Talent besitzt, kann es sich recht bald zeigen, dass nur Talent bei weitem nicht ausreicht und Eigenschaften wie Fleiß, Ausdauer, Zielstrebigkeit, Disziplin und Persönlichkeit noch wichtiger sind. Von großer Bedeutung ist auch, die richtigen Pädagogen zu wählen, alle gebotenen Chancen zu nutzen, nie zu resignieren und das Endziel immer vor Augen zu haben. Man muss auch damit zurecht kommen, dass die Konkurrenz sogar bei den ganz jungen Musiker/innen ganz groß ist. Und es ist ratsam, für alle Fälle einen „Plan B“ zu haben.

FINANZIERUNG IMMER SCHWIERIG 

Was wäre Ihr Wunsch an die Stadt Passau für eine weitere Unterstützung des Festivals, das ja mittlerweile eine Europäische Institution ist?

Spätestens seit 1998 gibt in Passau mehr als eine oder zwei Veranstaltungsreihen. Eigentlich gibt es zurzeit in Deutschland, oder sonst wo kaum eine andere Stadt in vergleichbarer Größe mit so vielen Festivals wie Passau. Die Stadt muss das entsprechend wertschätzen, auch finanziell genug unterstützen.

Nachdem wir 25 Jahre ein Festival wie Young Classic Europe auf höchstem Niveau mit ziemlich bescheidenen finanziellen Mitteln veranstalten, darf man hoffen, dass dies in der Zukunft auch hinsichtlich Finanzierung angemessen honoriert wird.

Zum Schluss möchten wir Ihnen natürlich unsere Innside-Frage stellen: Mit welchem Fluss können Sie sich am ehesten identifizieren?

Die Donau, weil sie ein „verbindenden“ Fluss ist, auch zwischen Deutschland und meinem Heimatland Bulgarien.