INNSIDE Innterview: Johannes M. L. Pasquay

„KÜNSTLERISCHES ARBEITEN IST EIN LEBENSMITTEL“

8.2.2021


Die Fragen stellte Claudia Saller


Johannes M. L. Pasquay ist freischaffender Künstler und Autor, Gründungsmitglied des Kunstvereins Deggendorf und Galerist.
Stellvertretend für alle Künstler, die von den aktuellen Corona-Maßnahmen betroffen sind, haben wir mit ihm über die Kreativität in der Krise, über existenzielle Ängste und langfristige Auswirkungen der Krise gesprochen.
Herr Pasquay, Sie bezeichnen Ihre Arbeiten als „experimentelle Suche nach neuen Ausdrucksmöglichkeiten“. Hemmt die derzeitige Krise Ihre Kreativität oder ist es ganz im Gegensatz so, dass ein derartiger Einschnitt auch beflügeln kann und damit Wegbereiter für neue kreative Ansätze ist?

Künstlerisches Arbeiten ist für mich – wie für die meisten Künstler – ein Lebensmittel, oder wie Sie es ausdrücken, Wegbereiter für neue kreative Ansätze.

Seit fast einem Jahr steht der Kunst- und Kulturbetrieb still, welche Folgen hat diese „kulturlose Zeit“ für die mentale Gesundheit der Gesellschaft?

Ja, es macht krank, wenn man immer nur von Konserven aus der digitalen Welt leben muss. Und es tut unendlich weh, wie unser soziales und kulturelles Gefüge aus den Angeln gehoben wurde. Auf der anderen Seite wird uns dadurch bewusst, was im Leben wirklich wichtig ist.

WAS NUTZT EIN BILD, WENN ES NICHT
VERÖFFENTLICHT WERDEN KANN

Als Galerist stehen Sie in engem Kontakt zu vielen bildenden Künstlern, wie ist die aktuelle Stimmungslage und sind die angekündigten finanziellen Hilfen ausreichend?

Ja, seit 40 Jahren habe ich als Galerist für mehr als 100 Künstler Ausstellungen kuratiert. Jetzt ist ein ungeheurerer Kreativitätsschub bei vielen meiner Kollegen zu bemerken. In letzter Zeit werden mir sehr viele Bilder zur Besprechung digital zugeschickt. Hier stellt sich heraus, dass es mir kaum möglich wäre, etwas darüber zu sagen, wenn ich nicht schon den Künstler und andere seiner Arbeiten im Original kennen würde. Auch Goethe soll gerade dann gearbeitet haben, wenn es ihm schlecht ging. Doch was nützt ein Buch – ein Bild – wenn es nicht veröffentlicht werden kann? Ein Künstler, unmittelbar mit seinem Werk verbunden, ist darauf angewiesen, es auch von Mensch zu Mensch kommunizieren zu können. Ich bin unserem Kunstminister Bernd Sibler für die Eröffnung der letzten Ausstellung in einer „stillen Vernissage“ vor dem endgültigen Lockdown (16. Dezember 2020) in den Galerieräumen in Deggendorf sehr dankbar.
Trotzdem war ich gezwungen meine Galerie zu kündigen und an Orten, die mich nicht mit einer monatlichen Miete belasten Ausstellungen zu kuratieren. Bei all den Bemühungen der Politik
fallen jedoch sehr viele einzelne, selbständig arbeitende Kunstschaffende durch das Förderungssieb. Gerade die sind jedoch der eigentliche Nährboden künstlerischen Werdens.

VIEL INVESTIERTE ARBEIT WIRD KNALL AUF FALL ÜBER DEN HAUFEN GEWORFEN

Derzeit ist es völlig unklar, wann die breit gefächerten Einschränkungen aufgehoben werden, wie gehen Sie mit der unklaren Situation um?

„Sicher ist, dass nichts sicher ist. Selbst das nicht.“ (Joachim Ringelnatz) | Viele solcher Muster, ob positiv oder negativ, schon immer latent vorhanden, treten jetzt in den Vordergrund – im Großen, wie im Kleinen. Die oft Jahre andauernde kuratorische Entwicklung einer Ausstellung passiert nicht in einem luftleeren Raum, sondern muss genau auf ihn zugeschnitten sein. Das gilt auch für eine sogenannte Whitebox. Man kann eine Ausstellung nicht auf den St.-Nimmerleins-Tag in irgendwelche Räume verschieben, schon eine künstlerische Weiterentwicklung spricht dagegen. Zurzeit ist keinerlei Planungssicherheit mehr vorhanden. Die viele investierte Arbeit wird – Knall auf Fall – über den Haufen geworfen.

CHANCEN, SPUREN ZU HINTERLASSEN

Wie schätzen Sie die langfristigen Auswirkungen der Corona-Pandemie und der damit verbundenen Ängste auf die Kunst- und Kultur-Szene ein? Gibt es Grund für Optimismus?

Sie verwenden hier sehr richtig den Begriff Angst. Während Furcht auf konkrete Erlebnisse, wie einen Zahnarztbesuch abzielt, entstehen Ängste, von der Existenzangst bis zur Todesangst, bei etwas Unbekanntem, bisher nicht erlebtem. Und die Angst frisst bekanntlich die Seele auf. Optimismus? Na ja, wir haben doch gerade im bildnerischen Bereich die Chance Spuren zu hinterlassen, die uns mit oder ohne Pandemie überdauern.

Am Ende eines jeden Innterviews steht unsere Flussfrage: Mit welchem Fluss können Sie sich identifizieren und warum?

Die frühe Kindheit bei meiner Großmutter in Passau hat mich sehr geprägt. Ich kann hier nicht monogam sein, jeder der drei Flüsse hat was Besonderes. Die Ilz deren schwarzes Wasser an der Einmündung in die Donau zu versiegen scheint. In ihr durfte ich mich in einer selbst gestrickten Badehose erfrischen. Die hing mir allerdings, voll Wasser gesaugt, bis an die Waden. Die schlammige
Donau, deren vielbesungenes Blau nur eine Spiegelung des Himmels bei schönem Wetter ist. Sie ist in ihrer bedächtigen Trägheit die Hauptperson. Der Inn, der männliche unter den dreien, wurde durch menschliche Regulierungswut so denaturiert, dass er in seiner Inkontinenz zur Schneeschmelze in den Alpen zur Früsommerszeit das nicht schützbare Passau überflutet.

WIR DANKEN IHNEN FÜR DAS GESPRÄCH!