INNSIDE Innterview: Stefanie Wölfl

GRENZENLOSE ZUSAMMENARBEIT

30.1.2020


Seit vier Jahren beschäftigt man sich in den Orten Neuhaus am Inn

und Schärding damit, durch eine grenzübergreifende

Zusammenarbeit Synergien zu bündeln und die Region zu einem noch

attraktiveren Lebens- und Arbeitsraum über die Landesgrenze hinweg

zu entwickeln. Wir sprachen mit der Projektkoordinatorin

Stefanie Wölfl über die Chancen und Ziele dieser Zusammenarbeit.


Fragen und Foto: Claudia Saller


Frau Wölfl, Sie sind seit einem Jahr die Projektkoordinatorin des Grenzübergreifenden Mittelzentrums Neuhaus am Inn – Schärding, können Sie uns kurz erzählen, was ein Grenzübergreifendes Mittelzentrum ist und wie die Idee dazu entstand, über die Bundesgrenze hinweg zusammenzuarbeiten?
Ein Mittelzentrum ist eine festgelegte Kategorie im Landesentwicklungsprogramm Bayern. Parameter zur Einstufung als Mittelzentrum sind weniger die Einwohnerzahl oder die Größe, sondern die Infrastruktur im Vergleich zur näheren Umgebung.
So dient ein Mittelzentrum als Anlaufpunkt für die Versorgung des periodischen Bedarfs, z. B. durch Fachärzte, kulturelle Einrichtungen, Krankenhäuser, Notare, Rechtsanwälte, Steuerberater, weiterführende Schulen. Der große Vorteil für eine
Kommune, als Mittelzentrum ausgewiesen zu sein, ist die Bevorzugung bei Investitionen des Bundes und der Länder. Wenn es darum geht, öffentliche Einrichtungen zu schließen, kann der Status als Mittelzentrum Vorteile bringen und dies eventuell
abwenden.
Eine informelle Zusammenarbeit der verschiedensten Institutionen in Neuhaus und Schärding gibt es schon viele Jahre. In vielen Bereichen wirft man schon lange den Blick über die Grenze, sei es in der Vereinsarbeit, bei den Blaulichtorganisationen, Schulen oder den Verwaltungen.
Im Jahr 2016 wurde die Zusammenarbeit konkretisiert nachdem Neuhaus bestrebt war, als Mittelzentrum ausgewiesen zu werden.
Alleine konnte man die Anforderungen des Landesentwicklungs-programms nicht erfüllen, aber zusammen mit Schärding war man stark genug, die Hindernisse zu überwinden.

Welche konkreten Ziele sollen durch die Zusammenarbeit erreicht werden?
Das große übergeordnete Ziel ist ein gemeinsamer, wahrnehmbarer und greifbarer Lebens-, Arbeits-, Wohn- und Wirtschaftsstandort und diesen auch in den Köpfen der Bürger sowie auch überregional zu verankern. Ein weiteres Ziel ist der einheitliche Auftritt nach Außen, eine Website, die alle wichtigen
Informationen gibt und als kurzfristige Ziele haben wir gemeinsame Veranstaltungen geplant.

Welche Themengebiete umfasst die Zusammenarbeit?
Aktuell gibt es vier Projektgruppen, die sich jeweils mit einem Themengebiet befassen. Das sind zum einen die Projektgruppe „Soziales“, die sich mit den Bereichen Kinder, Jugend, Senioren, Gesundheit und Schule beschäftigt.
Eine weitere Projektgruppe kümmert sich um das Thema „Freizeit, Wohnen, Tourismus“, hier geht es um den „lebens- und liebenswerten Standort“, um die Freizeit- und Kulturangebote, sowohl für die Einheimischen als auch für die Urlauber und Ausflugsgäste.
Der Arbeitskreis „Wirtschaft und Standortmarketing“ kümmert sich um die bereits ansässigen Unternehmen, aber auch um die Ansiedlung neuer Firmen.
Das vierte Thema, für das wir uns gemeinsam starkmachen ist die Vereinsarbeit und das damit verbundene Bürgerengagement.

Welche Instrumente stehen Ihnen dafür zur Verfügung?
Das wichtigste Instrument ist die Kommunikation bei den Treffen der Arbeitsgruppen. Hier entstehen Netzwerke, hier kristallisieren sich Stärken einzelner heraus, von denen alle profitieren. Ein
weiteres wichtiges Instrument sind natürlich auch die INTERREG-Fördergelder für einzelne Projekte.

Auch die Projektkoordination wird mit Mitteln des INTERREG Programms Österreich-Bayern 2014-2020 gefördert. Bedeutet das, dass die Kooperation zeitlich begrenzt ist?
Gefördert wird die Projektkoordination, d.h. meine Arbeit, für knapp drei Jahre. Die Kooperation an sich, das Grenzübergreifende Mittelzentrum, wird unabhängig davon weiterbestehen. Ich bin bestrebt, in dieser Zeit Strukturen zu schaffen die die Zusammenarbeit institutionalisieren. Ein Minimalziel ist eine langfristige Partnerschaftserklärung
beider Beteiligter.

Mittelzentrum, Projektkoordination, INTERREG, Partnerschaftsverträge… das alles sind sehr theoretische Begriffe. Wie kann das ganze lebendig und greifbar werden?
Das funktioniert nur, wenn wir von der Basis her arbeiten, wenn wir von Anfang an alle Beteiligten mitnehmen und wenn diese auch mitgestalten können. Es ist aber auch wichtig, die ganz praktischen Dinge hervorzuheben und Fragen des Alltags zu beantworten: ist es möglich, einen Arzt in der jeweils anderen Gemeinde aufzusuchen, was sind die Voraussetzungen für den Schulbesuch beim Nachbarn, was muss ich beachten, wenn ich
als Deutscher in Österreich einen Arbeitsvertrag abschließe …

Können Sie nach Ihrer bisherigen Arbeit auch schon konkrete Erfolge vorweisen?
Wir machen kleine Schritte, die in die richtige Richtung gehen. Die beiden Kinderferienprogramme in Neuhaus und Schärding wurden im letzten Jahr gemeinsam beworben. Fast an jeder Veranstaltung nahmen Kinder aus beiden Gemeinden teil. Für dieses Jahr sind gemeinsame Programmpunkte vorgesehen sowie ein Programmheft mit allen Ferienangeboten in Schärding und Neuhaus.
Des Weiteren fand Ende letzten Jahres ein gemeinsames Unternehmertreffen statt. Diese Zusammenkunft war für die Beteiligten sehr wertvoll, da sie sich in lockerer Runde austauschen und Erfahrungen, gerade in der grenzübergreifenden
Auftragserteilung und -abwicklung, teilen konnten.
Ein dritter Teilerfolg ist der gemeinsame Auftritt auf der Messe „Passauer Frühling“ im März, hier bieten wir unseren Unternehmern tageweise die Möglichkeit, sich den Besuchern aus dem Umland vorzustellen. Die Messe ist aber auch eine super Gelegenheit, das Mittelzentrum als attraktiven Lebens-, Wohn- und Arbeitsstandort in seiner ganzen Vielfalt zu präsentieren.
Ein nennenswerter Erfolg ist auch das Grenzübergreifende Kulturfest „Funkenflug“, das die beiden Kulturvereine in
Schärding und Neuhaus organisieren. An zwei Tagen wird ein hochkarätiges und abwechslungsreiches Programm aus Musik und bildender Kunst mit abschließendem Sonnwend-Feuer geboten.

Am Ende eines jeden Innterviews steht unsere Flussfrage: Mit welchem Fluss können Sie sich identifizieren und warum?
Das ist ganz klar der Inn, weil er der allerschönste ist mit seinen vielen naturnahen Abschnitten und den Auenwäldern, weil der Inn für mich immer auch ein Stück Erholung bedeutet, eine Stunde Spaziergang auf der Innpromenade in Schärding
ist für mich wie ein Kurzurlaub in Italien.

WIR DANKEN IHNEN FÜR DAS GESPRÄCH