INNSIDE Innterview: Uni-Präsident Prof. Dr. Ulrich Bartosch

"Gerade die internationalen Studierenden brauchen unser aller Unterstützung!"

5.3.2021


Eine der größten Institutionen der Stadt Passau, die Universität, leidet ganz erheblich unter der derzeitigen Situation. Dennoch gehen die Planungen und Entwicklungen an der Universität Passau auch unter Pandemiebedingungen weiter. Wir hatten Gelegenheit mit dem Unipräsidenten Prof. Dr. Ulrich Bartosch über die derzeitige Situation zu sprechen.


Die Fragen stellte Gerd Jakobi


Die Uni ist auch im zweiten „Corona-Jahr“ im Digitalbetrieb. Wie läuft es und welche Erfahrungen haben Sie gemacht?
Wir sind mit der Corona-Pandemie vor eine immense Herausforderung gestellt. Einerseits wird die Entwicklung zukunftsfähiger online Lehr-/Lernformate in Zeiten der Digitalisierung eine Bereicherung darstellen und – im positiven Sinne – erfahren diese Formate jetzt tatsächlich einen Innovationsschub. Es ist z. B. eine Bereicherung, dass für Vortragsveranstaltungen hochkarätige Referentinnen und Referenten leichter kurzfristig gewonnen werden können. Deren Terminpläne sind i.d.R. besonders „dicht“. So fallen längere Reisezeiten weg.

Grundsätzlich ist die Universität andererseits jedoch ein Raum, der vom Diskurs lebt. Digitalisierung darf immer nur eine zusätzliche Möglichkeit in einem gelingenden Universitätsbetrieb sein.
Allerdings bleibt uns jetzt keine Wahl: Um überhaupt ein Studium zu ermöglichen, wurde die Lehre weitestgehend auf digitale Formate umgestellt, aber auch zunehmend die Prüfungen. Um „Planungssicherheit“ für die Studierenden zu bieten, wird das kommende Sommersemester im Hinblick auf den Besuch der Lehrveranstaltungen ganz digital zu absolvieren sein. Eine Anwesenheit in Passau ist dann erst im Prüfungszeitraum notwendig.

Allein der Blick auf die Zahlen zeigt dabei die Dimension dieser Herausforderung (Tendenz steigend!):
„Studium online“:
• 4000 Online-Seminare/Vorlesungen
• 8000 Online-Sitzungen mit 50.000 Teilnehmern pro Woche
• 30.000 abgerufene Aufzeichnungen pro Woche (Vol. 20 Terrabyte/Monat)
• 500 Online-Prüfungen (bisher) mit bis zu 1000 Teilnehmer/innen

„Digital Workspace“:
• Täglich ca. 600 parallele Sessions in die Homeoffices
• Insgesamt ca. 2000 Personen auf den digital Workspaces
• Ca. 8000 Sessions in die virtuellen PC-Pools und virtuellen Dienste (in 2021)

STUDIERENDE HABEN ES PSYCHISCH NICHT LEICHT

Viele Studierende beklagen zunehmende psychische Probleme durch ihre isolierte Situation. Was kann die Uni dagegen unternehmen und wie kann den jungen Menschen geholfen werden?
Vielen Dank, dass Sie dieses Problem ansprechen! Für viele Studierende ist es zur Zeit wirklich nicht leicht. Leider können wir diese besonderen Corona-Bedingungen nicht völlig ausräumen. Wir arbeiten daran. Die universitären Beratungsangebote werden im digitalen Format angeboten. Wir diskutieren und erproben weitere Gesprächsformate. Für viele Studierende eröffnet die Online-Lehre auch die Option, gar nicht anzureisen, sondern im familiären Umfeld zu bleiben. Wir wollen allerdings im Sommersemester die versprochene Online-Lehre gerne durch Präsenzangebote auf dem Campus ergänzen. Dafür werden wir die Entwicklung der Pandemie weiterhin genau beobachten und unsere Freiräume verantwortungsvoll nutzen.

INTERNATIONALE STUDIERENDE FREUEN SICH ÜBER FREUNDLICHE NACHBARN

Die Universität Passau ist eine sehr international ausgerichtete Uni. Wie geht es den ausländischen Gaststudenten in der Pandemie? Viele können ja gar nicht, oder nur schwer in die Heimat reisen.
Zunächst kann ich voller Stolz melden, dass die Zahl der internationalen Studierenden (Vollstudierende) an der Universität Passau stabil geblieben ist. Kurzfristigere Aufenthalte sind freilich zurückgegangen.

Für Studierende aus aller Welt ist es weiterhin attraktiv nach Passau zu kommen. So waren 54% der neu eingeschriebenen Studierenden im Herbst bereits angereist. Weitere 26% wollten dies tun, sobald die Reisebedingungen es zuließen. Ein wesentlicher Teil der 1695 internationalen Studierenden dürfte aktuell in Passau sein.
Wir haben also allen Grund, internationale Studierende vor Ort und im Online-Studium in der Heimat mitzudenken und zu betreuen. Und wir sind auch besonders dankbar, wenn unsere Gäste in diesen Zeiten hier in Passau freundliche Nachbarschaft und verständnisvolle Unterstützung erfahren. Reisebeschränkungen erschweren entweder den Kontakt zur Familie oder die Teilnahme an Prüfungen. Der für die Integration und die psychische Gesundheit so wichtige Austausch mit Freunden und Mitstudierenden ist eingeschränkt. Es treten zusätzliche Belastungen, wie der Verlust des Arbeitsplatzes bzw. der finanziellen Unterstützung durch die Familie auf. Online-Formate können allerdings einen rechtzeitigen Studienbeginn auch bei fehlendem Visum ermöglichen. Dabei versucht die Universitätsfamilie den sozialen Austausch virtuell zu gestalten. Nicht zuletzt deshalb sind alternative digitale Prüfungsformen hier auch besonders wichtig.

UNIVERSITÄT UND WANDLUNG GEHÖREN ZUSAMMEN

Die Universitäten befinden sich wieder einmal in einem Wandlungsprozess. Die Rollenverteilung zwischen Forschung und Lehre verschiebt sich, oft zuungunsten der Lehre. Wie sehen sie die zukünftige Universität? Aufgespalten in reine Forschung und reine Lehre?
Universität und Wandlung gehören zusammen. Hier muss Innovation stattfinden. Hier ist der Ort für neues Denken und neue Lösungen. Dies ist selbstverständlich auch mein persönliches Anliegen. Die Verbindung von Forschung und Lehre ist ein zentrales Merkmal der deutschen Universität. Ich bin der Überzeugung, dass dies auch so bleiben muss. Entstehende Ungleichgewichte müssen immer neu analysiert und nachgesteuert werden. Und es ist gerade jetzt die richtige Zeit, die Idee der Universität wieder neu zu reflektieren. Mit Blick auf die gegenwärtigen Veränderungen – die Corona-Pandemie, die Digitalisierung der Gesellschaft, die Akademisierung der Ausbildung, die wachsende und gleichzeitig kontroverser werden Rolle von Wissenschaft – ist das Gespräch darüber dringend notwendig, was die Universität sein kann und soll. Dazu haben wir eine (universitäts)öffentliche Veranstaltungsreihe mit Diskussion externer Zurufe und interner Antworten aus der Universität ins Leben gerufen. Hochkarätige „Zurufer“ haben bisher mit Ihren Vorträgen diese Diskussion eröffnet: Herfried Münkler, Ulrike Beisiegel und Ernst Ulrich von Weizsäcker. Weitere Zusagen gibt es u.a. von Horst Bischof, Micha Teuscher, Eva Horn, Richard Münch, Wolfgang A. Herrmann und nicht zuletzt Staatsminister Bernd Sibler.

KOMBI-KONZERTSAAL IST EIN WICHTIGES PROJEKT FÜR UNI UND STADT

Wie steht es mit dem großen Neubauprojekt am Spitzberg? Bringt der Einspruch des unterlegenen Wettbewerbers den Zeitplan in Verzug?
Das Projekt am Spitzberg ist auf einem guten Weg. Sie erwähnen das aktuelle Einspruchsverfahren, das es abzuwarten gilt. Eine grundsätzliche Verzögerung erwarte ich deswegen nicht. Wir stehen in enger Abstimmung mit dem zuständigen Staatlichen Bauamt Passau und sind zuversichtlich, dass wir in 2021 die nächsten wichtigen Schritte in diesem für Universität und Region wichtigen Projekt gemeinsam gehen können.

Sehen sie das ganze Projekt bei zunehmender Belastung des Staates noch in der Spur? Oder wird der kombinierte Konzerthaus-Audimax-Bau zum Schluss ein Opfer der Corona-bedingten Einsparungen?
Das Projekt wird nach Abschluss der Planungen, Prüfung durch die Regierung von Niederbayern und Festsetzung auf Ministeriumsebene dem Ausschuss für Staatshaushalt und Finanzfragen im Bayerischen Landtag zur Genehmigung vorgelegt, der dann letztlich über die Finanzierung und die Realisierung entscheidet. An dieser Stelle sind wir unserem Wissenschaftsminister Bernd Sibler und seinem Haus sehr dankbar für das klare Bekenntnis zu diesem Projekt. Ich würde sagen, dass es sich dabei auch um ein wichtiges Stück Zukunft für die Universität und auch für die Stadt Passau handelt, das durch die derzeitige Pandemie nichts von seiner Bedeutung verliert.

Zum Schluss möchten wir natürlich wie immer die INNSIDE-Flussfrage beantwortet haben. Ist die Donau noch immer der Fluss mit dem Sie sich identifizieren? Oder konnte da ein anderer Boden gut machen?
Ich neige immer mehr zum Inn, den ich fast täglich überquere. Aber weiterhin bleibt die Donau „mein“ Fluss. Die Ilz könnte spätestens in den Sommermonaten in der Rangfolge nach vorne rücken.

Wir danken Ihnen für das Gespräch.