INNSIDE Innterview
INNOVATION MADE IN VILSHOFEN

Josef und Johannes Paul sowie Alexander und Lorenz Maier stellen den Prototypen eines mittelschweren Brennstoffzellen-LKW vor

PASSAU/VILSHOFEN | 26. NOVEMBER 2021

Im letzten Jahr haben die zwei regionalen Mittelständler Maier & Korduletsch und die Paul Nutzfahrzeuge GmbH zusammen mit dem Weltkonzern Shell das „Next Mobility Accelerator Consortium“ gegründet um Kräfte zu bündeln und um mit einer ganzheitlichen Betrachtungsweise das „Henne-Ei-Problem“ von Wasserstoff-Angebot und -Nachfrage an der Wurzel zu packen. Nun hat das Konsortium im nächsten Schritt auf dem ITS World Congress in Hamburg den Prototypen eines mittelschweren Brennstoffzellen-LKW vorgestellt. Wir sprachen mit den Unternehmern Josef und Johannes Paul (Paul Nutzfahrzeuge GmbH) sowie Alexander und Lorenz Maier (Maier & Korduletsch Unternehmensgruppe) über ihre Visionen einer gelingenden Mobilitätswende im Nutzfahrzeugsektor.

DIE FRAGEN STELLTE CLAUDIA SALLER
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Lorenz Maier, Johannes Paul, Alexander Maier und Josef Paul (v. l.) stellen mit ihrem Prototypen eines mittelschweren Brennstoffzellen-LKW einen Baustein für die Mobilität der Zukunft vor.

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ALEXANDER MAIER
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JOSEF PAUL
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LORENZ MAIER
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JOHANNES PAUL

Mit welchen Mitteln will das das „Next Mobility Accelerator Consortium“ die Dekarbonisierung bei den Nutzfahrzeugen vorantreiben?

ALEXANDER MAIER: Aufgrund der geringen Nachfrage nach Wasserstoff weist die Infrastruktur mit derzeit 91 reinen PKW-Tankstellen deutschlandweit noch sehr große Lücken auf. Gleichzeitig ist die Nachfrage nach mit Wasserstoff betriebenen Fahrzeugen schwach, weil eben diese Infrastruktur nicht gegeben ist. Wir wollen mit einer ganzheitlichen Betrachtung der H2-Wertschöpfungskette das „Henne-Ei-Problem“ lösen, indem wir neben einem kompletten Versorgungsnetz für grünen Wasserstoff mit Elektrolyse, Logistik und Betankungsmöglichkeiten für Wasserstoff-LKWs eben auch die entsprechenden Fahrzeuge inklusive Service und Wartung anbieten.

Sie haben auf dem ITS World Congress in Hamburg nun Ihren Prototypen eines mittelschweren Brennstoffzellen-LKW vorgestellt. Wie können wir uns die Entwicklung dieser Innovation vorstellen?

JOSEF PAUL: Die Paul Nutzfahrzeuge GmbH zählt zu den europäischen Marktführern im Bereich Sonderfahrzeugbau, das ist unsere Professur. Um unserem PH2P (Anm. d. Red.: Paul Hydrogen 2 Power) zu Serienreife zu verhelfen haben wir uns die zentralen Fragen unserer Kunden zu eigen gemacht: Was kostet das Fahrzeug? Woher kommen die Einzelteile? Wo bekomme ich Service und Wartung? Um das Vertrauen der Logistiker in das Fahrzeug zu gewinnen, arbeiten wir mit namhaften Konzernen wie zum Beispiel Daimler, Toyota und ZF zusammen. Um den Service und die Wartung zu gewährleisten muss neben jeder Wasserstoff-Tankstelle auch ein Service-Center entstehen. Und am Ende muss natürlich auch noch der Preis stimmen. Das ist eine riesige Aufgabe, der wir uns stellen, die aber nötig ist, um die Akzeptanz von Brennstoffzellen-LKWs zu erhöhen.

Und wie war die Resonanz des Fachpublikums auf Ihren PH2P?

JOHANNES PAUL: Das Feedback war auf globaler Ebene überaus positiv! Das Grundgerüst unseres Brennstoffzellen-LKW kommt von Daimler, was uns schon eine gewisse Grundakzeptanz beschert. Deren Freischaltung der Schnittstellen erhalten nur sehr wenige Fahrzeugbauer, da natürlich das Renommee eines Weltkonzernes auf dem Spiel steht. Wir haben als langjähriger Umbaupartner von Daimler deren Vertrauen, auch in Daimler-Qualität zu arbeiten. Das Wichtigste aber ist, dass wir ein deutsches Produkt mit sehr renommiertem Partner wie Shell, Daimler, ZF und Toyota anbieten können. Wir setzen hier am Markt ein deutliches Ausrufezeichen, auch dahingehend, dass es derzeit vorwiegend unbekannte Mitbewerber gibt wie Hyundai, Nikola, usw...

 Wie ist Ihre Timeline? Wann sehen wir die Paul-Brennstoffzellen-LKWs auf der Straße?

 JOHANNES PAUL: Wenn alles nach unseren Vorstellungen läuft, werden im 4. Quartal 2022 25 Fahrzeuge im Rahmen einer Kundenerprobung auf den Straßen fahren, diese sollte Mitte 2023 abgeschlossen sein. Dieser Feldversuch wird hier in der Region mit regionalen Kunden erfolgen, da wir mit der Tankmöglichkeit in Sperrwies und dem dortigen Service-Center auch die entsprechende Infrastruktur bei eventuell auftretenden Schwierigkeiten bieten können. Nach diesem Probelauf, der ca. ein halbes Jahr in Anspruch nimmt, werden die festgestellten Optimierungsmöglichkeiten umgesetzt und dann werden wir in Serie produzieren.

 Die Paul Nutzfahrzeuge GmbH ist ja Spezialist im Bereich Sonderfahrzeugbau, wäre es nicht am nachhaltigsten, bereits vorhandene Verbrenner mit einem Brennstoffzellen-Antrieb umzurüsten?

 JOHANNES PAUL: Wir haben festgestellt, dass die Akzeptanz sehr gering ist. Dabei spielt das Alter des Fahrzeugs keine Rolle. Gerade die Busbetreiber wechseln ihren Fuhrpark regelmäßig aus, bei den Logistikern werden wir sehen, wie die Entwicklung voranschreitet, wenn eine entsprechende Tank-Infrastruktur gegeben ist. Retrofit (Anm. d. Red.: Retrofit bezeichnet dem Umbau bereits vorhandener Fahrzeuge) stellt wegen der verschiedenen Baumuster immer einen gewissen Flaschenhals dar, deshalb haben wir uns entschieden, unseren Fokus auf ein Neufahrzeug aus unserem Hause zu legen.

Und wann präsentieren Sie uns Ihren Prototypen einer Wasserstoff-LKW-Tankstelle, Sie sprachen gerade von einer Tankmöglichkeit in Sperrwies?

LORENZ MAIER: Noch vor dem Mobility Hub in Pocking wollen wir tatsächlich im Herbst 2022 auf dem Gelände der Paul Group in Passau Sperrwies die erste Wasserstoff-Tankstelle für LKWs eröffnen. Allerdings müssen wir hier den Förderbescheid noch abwarten, bevor wir starten können.

JOSEF PAUL: Im Anbetracht der Eile, die geboten ist, um die Klimaneutralität zu schaffen, lässt die derzeitige Förderstruktur arg zu wünschen übrig.

JOHANNES PAUL: Wenn wir die Förderungen für den Prototypen unseres Brennstoffzellen-LKW abgewartet hätten, könnten wir erst jetzt mit der Entwicklung beginnen, so lange konnten und wollten wir nicht warten und haben deshalb ein enormes finanzielles Risiko in Kauf genommen.

ALEXANDER MAIER: Auf zwei Dingen muss unser besonderes Augenmerk liegen: Zum einen ist es von zentraler Bedeutung, dass wir ausschließlich „grünen“ Wasserstoff vertreiben, d. h. Wasserstoff der aus Wasser durch Wasserspaltung mit Elektrolyseuren mittels ausschließlich erneuerbarer Energien gewonnen wird. Der zweite Punkt ist die Sicherheit. Um diese zu gewährleisten, arbeiten wir bei dem Bau der Wasserstoff-Tankstellen mit einem führenden Ingenieurbüro zusammen, das bereits viele Erfahrungen auf diesem Gebiet hat.

Sie sind auch Projektpartner des Landkreises Passau bei dessen Wasserstoff-Initiative, die zu den Gewinnern im bundesweiten Wettbewerb "HyLand – 

Wasserstoffregionen in Deutschland" zählt und 400.000 Euro Fördermittel erhält. Was kann in dieser Gemeinschaft bewegt werden?

ALEXANDER MAIER: Es hat sich etabliert, sehr viel Geld in die Erforschung alternativer Antriebsmöglichkeiten zu investieren, bestes Beispiel ist Pfeffenhausen, wo ein nationales Wasserstoffzentrum entstehen soll, das sich mit Wasserstofflösungen im Mobilitätsbereich beschäftigt, 130 Millionen Euro werden dafür zur Verfügung gestellt. Diese Förderung ist ja gut, aber bis es so weit ist, dass dieses Forschungszentrum in Betrieb geht, bräuchten wir bereits mindestens 3000 Brennstoffzellen-LKWs auf unseren Straßen. Wir müssen uns noch mehr fokussieren und wirklich Gas geben!

LORENZ MAIER: Es ist natürlich besser, solche Programme wie „HyLand“ aufzulegen, als nichts zu machen, aber diese Werkzeuge sind nicht geeignet, die Innovationen wirklich in der nötigen Geschwindigkeit auf die Straße zu bringen. Viel wichtiger wäre es, die richtigen Rahmenbedingungen für Wirtschaftsunternehmen zu schaffen, damit diese praxisbezogen an Lösungen herangehen können.

Die Chancen für eine Ampelkoalition im Deutschen Bundestag stehen gut. Kann mit der potentiellen neuen Regierung ein „Nachhaltiges und klimaneutrales Deutschland“ erreicht werden und welche Folgen hat das Wahlergebnis für das „Next Mobility Accelerator Consortium“?

ALEXANDER MAIER: Wenn die richtigen Entscheidungen getroffen werden, ist es zweitrangig, wer diese trifft. Falls es zu einer Koalition kommt sehe ich alle relevanten Aspekte, das Klima, das Soziale und die Wirtschaft, abgedeckt. Wie immer ist auch hier die richtige Balance ausschlaggebend.

LORENZ MAIER: Meines Erachtens ist die stetige Vergrößerung des Parlamentes eher hinderlich, um die schnellen Entscheidungen zu treffen, die wir brauchen. Ich denke, der Erfolg unseres Konsortiums begründet sich in der sehr engen Abstimmung, die zügige Entscheidungen ermöglicht.

JOSEF PAUL: Das Konsortium redet nicht nur, wir handeln, und zwar mit allen Konsequenzen!

Bei unserem Gespräch vor einem Jahr haben Sie uns die Pläne für das Mobility Hub in Pocking vorgestellt? Wie weit sind diese gediehen? Wann ist der Spatenstich?

 LORENZ MAIER: Bei dem Projekt in Pocking sind wir teilweise abhängig vom Baufortschritt des Autobahnkreuzes. Die Zeit nutzen wir, um die Einzelheiten zu eruieren und zu optimieren. Wenn die Rahmenbedingungen es zulassen, werden wir vor Ort grünen Wasserstoff produzieren und in einem integrierten Energiekonzept die Wertschöpfungskette im Ganzen betrachten. Dafür kooperieren wir mit lokalen Partnern, die Erfahrungen mit integrierten Energiekonzepten haben, die regenerativen Strom erzeugen oder die Abwärme nutzen können. Auch die Volatilität der regenerativen Stromerzeugung müssen wir berücksichtigen, d. h. wir brauchen geeignete Speichermöglichkeiten. Geplant ist, dass unser Mobility Hub spätestens mit der Eröffnung der Autobahn fertiggestellt ist.

Wie ist Ihre Einschätzung als Unternehmer im Fahrzeugbau und im Energiesektor, können wir die gesteckten Ziele erreichen, um den Klimawandel tatsächlich zu stoppen?

ALEXANDER MAIER: Die Ziele sind sehr anspruchsvoll, allerdings sind es, wie meist im Leben, die hoch gehängte Ziele, die dafür sorgen, dass wir über uns hinauswachsen. Wir müssen jetzt alle, wirklich alle Hebel in Bewegung setzten und die Menschen dafür begeistern, denn nur wer begeistert, ist zu wirklich großen Leistungen fähig.

JOSEF PAUL: Es ist wie beim Teamsport, alle Beteiligten müssen an einem Strang ziehen, von der Politik über die Industrie bis zum Mittelstand wie wir es sind. Und genau wie beim Teamsport müssen wir kommunizieren und jeder muss das machen, was er am besten kann.

Sie sorgen mit viel Herzblut für fließende Energie und fließenden Verkehr; gibt es auch fließende Gewässer, für die Ihr Herz schlägt?

ALEXANDER MAIER: Mein Herz schlägt für die Vils, in ihr habe ich schwimmen gelernt.

JOSEF PAUL: Mein Herzensfluss ist die Wolfach, schon als Kind habe ich dort Muscheln gesucht und die prächtigen Forellen versucht, mit den Händen herauszuholen.

LORENZ MAIER: Für mich ist der Sandbach sehr reizvoll, dort habe ich das Fischen beigebracht bekommen.

JOHANNES PAUL: An der Wolfach gehe ich gerne zum Fischen, dort bekomme ich meinen Kopf wieder frei.

LORENZ MAIER: Am Ende fließt jeder Fluss ins Meer.

WIR DANKEN IHNEN FÜR DAS GESPRÄCH!

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