Le massacre du printemps | Mathilde Rosier

Die Videoarbeit „Le massacre du printemps" der französischen Künstlerin Mathilde Rosier ist Teil der nächsten MAERZ-Ausstellung in Linz

LINZ | 17. JUNI 2022

Die MAERZ Künstler- und Künstlerinnenvereinigung zeigt in ihrer nächsten Ausstellung in Kooperation mit der Collection Lemaître Paris die Videoarbeit „Le massacre du printemps" (2020) der französischen Künstlerin Mathilde Rosier.

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Die Videoarbeit „Le massacre du printemps" der französischen Künstlerin Mathilde Rosier kann bis zum 15. Juli in Linz betrachtet werden. | © MAERZ, Le massacre du printemps, Videostill, Courtesy Mathilde Rosier

Das Werk, das als „an agricultural dance on Naples" (landwirtschaftlicher Tanz auf Neapel) bezeichnet wird, ist inspiriert vom Ballett „Le sacre du printemps" (Ritus des Frühlings). Es entstand während eines Artist in Residenz Aufenthalts in Neapel 2020 und wurde vom Museum Madre in Neapel produziert. Die Österreich-Premiere findet am 21. Juni um 19 Uhr statt.

Das Ballett „Le sacre du printemps" ist in zwei Teile gegliedert, die die Grundprinzipien des ursprünglichen Balletts in Frage stellen. Im ersten Akt von Strawinskys Werk, der den Titel „Die Anbetung der Erde" trägt, erinnert die Choreografie an die landwirtschaftlichen Tänze des heidnischen Russlands. Für Rosier verbinden die Tänzer durch das Imitieren der Bewegungen und Gesten der Bauern beim Bestellen der Felder, den Akt der Anbetung des Landes mit den Beginn seiner fortschreitenden Ausbeutung. Aus diesem Grund entpuppt sich die „Anbetung" des ursprünglichen Balletts als Beginn einer unaufhaltsamen „Ausbeutung": „Die Bauern werden zu Weizenähren, das Schicksal der Menschheit ist mit dem der Pflanzen verbunden". Wir behandeln uns selbst, wie wir Pflanzen behandeln, industrialisiert, kommodifiziert. Das blinde Streben nach Wachstum, der Geiz, die Gier, spiegeln nur unsere Unfähigkeit wider, niemals zufrieden zu sein. Diese bodenlose Unzufriedenheit ist der Grund für die Katastrophe.

Im zweiten Akt von Strawinskys Werk, der den Titel „Das Opfer" trägt, wird eine Frau dazu bestimmt, ein Opfer an die Erde zu bringen, um die Rückkehr des Frühlings nach dem Winter zu erbitten und das Wohlergehen der menschlichen Spezies zu sichern. In Rosiers Neuinterpretation findet die Opferung der jungen Frau nicht statt, sondern verwandelt sich in die Metamorphose aller Bauern und Weizenfelder in einen Wald, der sich über die Stadt und das Industriegebiet, früher bekannt als Neapel, ausbreitet. Die Künstlerin erinnert an die jahrtausendealte Kultur, fast so, als würde sich ein Kreis schließen oder besser gesagt sich wieder öffnen: „In den barocken Gemälden, die in den zahlreichen Kirchen der Stadt zu sehen sind, wie auch in den Exvoto-Gemälden, schweben die Jungfrau Maria und die Engel über den Sterblichen, um sie zu beschützen und die chaotische Welt zu retten. Für viele von uns hat die katholische Botschaft die ontologische Frage nicht beantwortet, aber das Bild bleibt bei uns, das Bild eines unsichtbaren Reiches von übermenschlichen Geschöpfen, die in der Lage sind, das Gefühl der Leere zu füllen, das unsere Brust leer und unser Herz trocken macht. Vielleicht sind diese
übermenschlichen Wesen in natürlichen Formen, in Bäumen und Wäldern zu finden, die unsere Brust bewohnen würden. Wir müssen unsere Brust mit diesem Wald wieder mit Sauerstoff versorgen, die Fülle in uns spüren, die Lunge und das Herz voll".

Biografie

Mathilde Rosier (Paris, *1973) lebt in Burgund, Frankreich und Basel. Ihre Arbeiten basieren auf ihrem Interesse an der physischen und psychischen Erfahrung alter Riten und Rituale. Ihre Kunst verkörpert oft fiktionale Ausläufer oder Teile einer Erzählung, wo Konstellationen von selbstgemachten Kostümen, mystischen Tier- und Naturdarstellungen oft wie Requisiten, ein verlassenes Bühnenbild oder einsame Protagonisten einer fremden und doch fesselnden Realität erscheinen. Durch die Kombination von Malerei, Film, Tanz und Theater konstruiert Rosier oneirische Situationen, die es dem Betrachter erlauben, jegliches Gefühl für Raum und Zeit zu verlieren, indem ein Portal zwischen bewussten und unbewussten Welten geöffnet wird. Rosier schafft Kunst, die die Notwendigkeit kommentiert und veranschaulicht, zu harmonischen Formen der Integration menschlicher Aktivitäten mit der „natürlichen Umwelt" zurückzukehren. Dazu gehören auch vorindustrielle Praktiken, die irrational erscheinen mögen, wenn man die Welt aus dem Blickwinkel der heutigen Landschaft observiert. Seit 2016 ist Rosier Dozentin an der FHNW, Institut Kunst, Hochschule für Gestaltung und Kunst, Basel. Jüngste Einzelausstellungen wurden in MADRE Neapel (2020), MASP Sao Paulo (2020) gezeigt. Einzelausstellungen und Performances wurden im Camden Arts Center London, Museum Abteiberg Mönchengladbach, Serpentine Gallery London und Kunstverein Hannover gezeigt.


22. Juni bis 15. Juli 2022

Dienstag bis Freitag | 15.00 –18.00 Uhr

MAERZ | Eisenbahngasse 20 | 4020 Linz