LOIS JURKOWITSCH | PASSAU: Schwarz | Weiss

Fotos aus dem vergangenen Jahrtausend zu sehen in der Art Active Gallery vom 5. - 25. März 2023

PASSAU | 27. FEBRUAR 2023

Verborgene Einblicke und verwinkelte Weitblicke auf die Passauer Altstadt der 1970er und -80er Jahre zeigt die Ausstellung von Lois Jurkowitsch in der Art Active Gallery. Mit der Plattenkamera hat er die Zeit der damaligen Altstadtsanierung festgehalten, so wie er noch heute täglich fotografiert, was ihn umgibt. Viele Werke werden erstmalig zu sehen sein.

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Der in Österreich geborene Lois Jurkowitsch, ausgebildeter Volksschullehrer, hat selbst in der Hauptschule als 12-Jähriger von einem Lehrer das Fotografieren und die Techniken im Labor erlernt, später im Katholischen Internat in Linz gaben ihm die Mönche einen Kredit, um sich eine Spiegelreflexkamera zu kaufen. Leisten konnte sich seine Mutter, die nach dem frühen Tod des Vaters, Lois war gerade 2 Jahre alt, den Jungen allein erzog, jedoch meist nur einen Film pro Jahr.

Und so mag diese Notwendigkeit, seine Objekte sorgsam auszuwählen, die Grundlage gewesen sein für den selektiven Blick Jurkowitschs auf seine Umwelt.

Seine Ausbildung an der Kunstakademie Wien musste der Künstler aus finanzieller Not nach zwei Jahren beenden, und die Möglichkeit, hier auf dem Bau Geld zu verdienen, zog ihn nach Passau, wo er wortwörtlich jeden Pflasterstein kennt und die meisten davon für eine unglaublich ausdrucksstarke Serie auch fotografiert hat.

Neben der doch eher spontanen Fotografie erschafft Jurkowitsch wohlüberlegte Objekte, meist aus Fundstücken entstehend, die der Künstler auf Flohmärkten, bei Haushaltsauflösungen oder Entrümpelungen gesammelt hat. Er selbst beschreibt seine Arbeitsschwerpunkte im INNSIDE-Künstlerportrait im Jahr 2009 beinahe schon poetisch: hausmeisterkunst – spurensicherung – endzeitarchäologie – ersatzteilbeschaffung – metarecycling – protodesign – erinnerungsfotografie – katastrophenbewältigung – sparsamkeitslehre – überlebenstechnik – selbstverteidigung.


INNTERVIEW MIT LOIS JURKOWITSCH
Die Fragen stellte Claudia Saller | Foto Claudia Saller

Lois, die Fotos der Ausstellung zeigen ein Stück Zeitgeschichte der Stadt Passau, wie ist diese Serie vor unglaublichen 40 bis 50 Jahren entstanden?

LOIS: Ich habe das ursprünglichste Motiv jeder Fotografie festgehalten, das Verschwindende. Ich durfte damals einen Bauforscher, Michael Korte, der ein Aufmaß der gesamten Altstadt erstellt hat, begleiten und da ich, wie heute auch noch, eigentlich immer einen Fotoapparat bei mir hatte, konnte ich diese Aufnahmen machen. Korte hat mich bei meinen Fotoaktivitäten stets unterstützt und diese letztendlich selbst in Anspruch genommen.

Gibt es Pläne, die Schauplätze deiner damaligen Fotos aus heute aktuellem Blickwinkel zu fotografieren und diese gegenüberzustellen?

LOIS: Das würde mich langweilen. In den letzten 10 Jahren sind ungefähr 50.000 Bilder entstanden, wohlsortiert in verschiedenen Serien, Menschen, Wände, Graffitis, beklebte Dachrinnen, der Bahnhof, der Residenzplatz, ich fotografiere, was mich interessiert.

Wie hast du den Umstieg von der analogen zur digitalen Fotografie erlebt?

LOIS: Ich habe mich zehn Jahre lang dagegen gewehrt und viele Jahre mit einer analogen Billigkamera fotografiert, was eine besondere Ästhetik hervorbrachte. Als die digitalen Kameras in der von mir gewünschten Qualität für mich leistbar waren, bin ich dann doch umgestiegen, das dürfte um 2010 gewesen sein. Den Vorteil, fast unbegrenzt fotografieren zu können, habe ich dann schnell erkannt. Den ökonomischen Aspekt beim Fotografieren nicht mehr beachten zu müssen, hat mich leichtsinnig gemacht und erfordert täglich strenge Löschorgien.

Du fotografierst ja nicht nur, sondern bist auch bildender Künstler, wie vereinbarst du diese beiden künstlerischen Ausdrucksformen?

LOIS: Manchmal merke ich bei der Komposition von Objekten, dass die Konstellation der Gegenstände besser als Foto geeignet ist, dann brauche ich das Objekt gar nicht mehr. Vor ungefähr drei Jahren habe ich mich von ca. 7 Tonnen Material getrennt, während der Wegwerfaktion ist mir die Idee gekommen, das alles nochmal festzuhalten und so habe ich vor dem Schrott-Container eine Fotostation aufgebaut. Dieser Zwischenschritt hat mir die Trennung von diesen Sachen leichter gemacht.

So wie damals in den 1980er Jahren befindet sich die Passauer Altstadt erneut im Umbruch, was sagst du dazu?

LOIS: Damals war die Sanierung eine Revolution, auch wenn technisch viele Fehler gemacht wurden, gerade bei den Belüftungssystemen haben die Jungen nicht auf die Alten gehört, deshalb gibt es das große Problem des Schimmelbefalls. Heute geht der allgemeine Trend in Deutschland zur Gentrifizierung, eine Folge des Liberalkapitalismus, der auf dem Wohnungsmarkt Einzug hält. Diese Eskalation kann man durchaus negativ bewerten.

Auch dir wollen wir am Ende die INNSIDE-Flussfrage stellen: Mit welchem Fluss kannst du dich identifizieren?

LOIS: Mit dem Inn! Er tut noch so, als sei er ungebändigt.