Während alle fotografieren können sich manche mit der Fotografie beschäftigen

Ausstellung im Fotohof Salzburg
6. Oktober – 21. November 2020

25.9.2020


Mit Arbeiten von: Raffaela Bielesch, Martin Bilinovac, Horakova + Maurer, Kerstin von Gabain, Rosa John, Aglaia Konrad, Markus Krottendorfer, Friedl Kubelka, Roberta Lima, Anja Manfredi, Michael Mauracher, Peter Piller, Claudia Rohrauer, Adrian Sauer, Stephanie Stern, Käthe Hager von Strobele, Anita Witek u.a.
Kuratorin: Ruth Horak


Rosa John | Arbeitsmantel für Kamerafrau (Installationsansicht) | 2019 | © Rosa John


Markus Krottendorfer | Masters of the Universe − Fuerte


Käthe Hager von Strobele | „Moiré 3“ | 2015


Horáková + Maurer | Cut | © 2019


Anita Witek | Do It In The Dark (Vogue 2018) | 2019

Rosa John

Keine Fotografie ohne Licht – die Kamera als feinmechanisches Präzisionsinstrument sorgt dafür, dass nur eine exakt bestimmbare Lichtmenge in ihr Inneres eindringen darf. In genormten Blendenstufen von 1,4 / 2 / 2,8 / 4 / 5,6 / 8 / 11 / 16 / 22 kann ein Kameraverschluss justiert und damit (gemeinsam mit der Verschlusszeit) der Lichteinfall gesteuert werden. Rosa John hat 9 solcher klassischen Blendenschritte aus dem Objektiv-Zusammenhang herausgelöst, hat diese um ein Vielfaches vergrößert und sie physische erfahrbar gemacht, indem sie ihnen (die sonst nur Öffnungen oder Löcher sind) Körper aus Messing gegeben hat.


Raffaela Bielesch

Als Absolventin und Assistentin der Schule geleitet sie uns in die Jubiläumsausstellung mit einem Feuerwerk. Der Moment, in welchem Licht und Dunkelheit in einem explosiven Extrem einander begegnen, ist einmal als Positiv und einmal als (absichtlich seitenrichtig produziertes) Negativ nebeneinandergestellt.

In einem weiteren Beitrag hat Raffaela Bielesch einen „Arbeitsplatz“ mit Recherche­materialien und ihren künstlerischen Ergebnissen eingerichtet. Es geht um Elsa von Freytag-Loringhoven (1874-1927), die bekannt war für ihr außergewöhnliches und provokatives Auftreten (New York Dada). „Sowohl auf sprachlicher Ebene als auch mit ihren selbstgemachten Kostümen, die Alltags­gegen­stände und vermeintlichen Abfall integrierten, kritisierte und forderte sie die bürgerliche Auffassung von weiblicher Schönheit und Werteverhältnissen in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts heraus.“ (RB)


Kerstin von Gabain

Die Dominanz der großen Kamerahersteller am Markt ist kaum besser dar­zustellen, als über die High-End produzierten ganzseitigen Anzeigen­schaltungen, wie sie in den 1980er Jahren in internationalen Magazinen zu finden waren. Heute bangen sie angesichts der immer elaborierteren Kameras, die in unseren Smartphones integriert sind, um ihren Status. Kerstin von Gabain hat fünf solcher Anzeigen aus japanischen Magazinen ausgesucht und eine davon als überdimensionalen Print – an Formate der Großflächen­plakatwerbung angelehnt – produzieren lassen.


Friedl Kubelka

Als sie 1990 die Schule für künstlerische Photographie gegründet hat, war die Fotografie noch analog und ein Papierbild, das man in der Hand halten konnte. Die Dunkelkammer, bestehend aus einem Nass- und einem Trockenbereich war das Herz der Schule in der Garten­gasse und Produktionsort der eigenen Jahresporträts. Den Unterricht bestritten Protagonist_innen aus dem künstlerischen Umfeld von Friedl Kubelka, die nicht zwingend Fotograf_innen sein sollten: so sind Hans Scheirl, Hermann Czech, Franz Schuh oder Timm Starl auf den Fotomontagen zu finden, die Friedl Kubelka 1992, 1997 und 2000 als Vorlagen für die Visitenkarten der Schule ange­fertigt hat, und die gleichzeitig Erinnerungen an die mit jedem Schuljahr wechselnden Akteur_innen sind.


Käthe Hager von Strobele

Der Titel der 7-teiligen Serie sagt schon alles: „Moiré“. Ein Begriff, der für ein Ärgernis steht, wenn sich fein-linierte Motiven mit einer wellenförmig ausladenden Linienführung gegen eine mediale Übertragung wehren. Absichtlich und unter humorvollen Bedingungen herbeigeführt, entfalten sie jedoch ihre Reize.


Peter Piller

Bekannt für seine Auseinandersetzung mit bestehenden Bildern, die er aus ihren ursprünglichen Zusammenhängen löst und in neue stellt, kombiniert Peter Piller zwei Bildsorten, die trotz ihrer Unterschiedlichkeit beide über Abdruck und Kommunikation sind: Aus einem FBI-Magazin stammt die Anleitung, wie man eine Hand schwärzt, um ihre Fingerabdrücke abzunehmen. Die beiden anderen sind frühen wissenschaftlichen Publikationen über Höhlenzeichnungen entnommen, in welchen sogenannte „unbestimmte Linien“ abgebildet sind, über deren kommunikativen Gehalt man Jahrtausende später nur mehr spekulieren kann. Pillers Reproduktionsprozess bleibt im finalen Bild absichtlich sichtbar (Lichteinfall, Unschärfen) um über die lesbaren Botschaften hinaus auch den Umgang mit Bildern (s/w Aufnahmen, Druckkorn, Reproduktion etc.), zu zeigen.


Horakova + Maurer

Bekannt für ihre konzeptuelle Art, die Fotografie zu denken, hat das Künstlerpaar seinen Beitrag auf einer provokanten Geste aufgebaut: dem Zerschneiden analoger Planfilme. Zwei belichtete, aber nicht entwickelte Kodak Ektachrome Filme, 8 x 10 inch, sind mit einer Geste, die sowohl an Lucio Fontana als auch an Zorro erinnern darf, aufgeschlitzt und anschließend gescannt und auf Baryt ausbelichtet. Im Gründungsjahr der Schule, 1990, war die Fotoindustrie auf ihrem Zenit. Bis heute wurden zahlreiche dieser klassischen, lichtempfindlichen Materialien aufgelassen und der „Last Print“ kann als Synonym für das Ende einer auf Film basierenden Fotografie gelten (im November 2011 wurden Horakova und Maurer von Ilford darüber informiert, dass es nur mehr eine letzte Charge ihres bis dato genützten Fotopapiers gebe).


Anita Witek

Anita Witek hat anlässlich des 30-jährigen Bestehens der Schule 30 Ausschnitte aus verschiedenen Printmedien der Jahrgänge 1990-2019 reproduziert, die im Original nur rund 2 x 2,5 cm klein sind. Sie hat dafür jeweils den erstmöglichen Schärfebereich gesucht, der bei einer maximalen Nähe der Kamera zum Motiv möglich war. Die Bilder sind so eng beschnitten, dass sie zuerst abstrakt wirken, aber gleichzeitig doch so vielgestaltig sind, dass man auf Grund ihrer Formen und Farben Gegenstände erahnen kann und sich unter dem mehrdeutigen Titel „Do it in the Dark“, der von einem Handbuch für Labortechnik aus den 1970er stammt, diverse Assoziationen anstellen lassen.


Stephanie Stern

A different Yellow (120 x 85 cm) ist das abstrakte Ergebnis einer Sammlung gelber Gegenstände. Das ursprüng­liche Stillleben hat Stephanie Stern am Computer zigfach vervielfältigt und bei gleichbleibender Auflösung im Maßstab verändert, so lange bis nur mehr Fragmente der Objekt­eigenschaften übrig waren.
Silenct Cycle without Memory (120 x 84 cm) basiert auf einer ähnlichen Vervielfältigung. Diese hat allerdings nicht am Computer stattgefunden, vielmehr hat Stephanie Stern das Motiv – 8 gebogene Holzlatten – in den verschiedensten Konstellationen fotografiert und erst anschließend kompiliert, sodass die Ausgangsmotive bei aller Kleinheit noch gut sichtbar sind.


Roberta Lima

Für ihre Performances bekannt zeigt Roberta Lima Fotografien und einen Film, welche die Performance ReBirth dokumentieren. In der Gegenüberstellung der stillen und der bewegten Bilder wird ein großes Thema der Fotografie offengelegt, nämlich wie verbindlich die Wahrheit ist, die wir als Betrachter_innen, die nicht live zugegen waren, von diesen Medien vermittelt bekommen.
Jede Fotografie gibt nur einen Ausschnitt der Realität wieder. Die filmische Dokumentation erweitert des Erfahrungshorizont um andere sinnliche Ebenen.


Down to Earth

Auf dem zentralen Sockel – ein Deckenelement des Fotohofs wurde dafür auf den Boden gespiegelt – kommen Stücke zusammen, die die gezeigten Werken umspielen: sie zeigen Materialien aus der Recherchephase (Bielesch), sind das Motiv selbst (Manfredi, Bilinovac) oder ergänzen es (Rohrauer), reichen von der Editionsbox (Mauracher) bis zur filmischen Dokumentation (Lima). Denn die zentrale Herausforderung jeder künstlerischen Ausbildung ist: Wie wird aus einer Idee und einem Motiv schlussendlich ein Werk?
Die eben erschienene Festschrift Die ersten 30 Jahre –Photographie liegt ebenfalls hier auf. Aus den rund 100 Beiträgen sind exemplarisch 17 in der Ausstellung zu sehen.


Michael Mauracher

Kann man noch Palmen fotografieren, wenn sie schon jemand wie Ed Ruscha (1971) fotografiert und publiziert hat, oder ist ein Motiv dann ein für alle Mal besetzt? Die Appropriation Art sagt: Alles ist möglich. Als postmoderne Variante des Ready-mades hat sie auch die Kopie legitimiert, sofern zusätzliche Ebenen mit ins Spiel kommen. Im konkreten Fall hat Michael Mauracher 14 Palmen – A Few Iconic Palm Trees (Mapping Mid-Century Modern Architecture in Southern California) – an die nicht minder ikonischen Gebäude geknüpft, in deren Vorgärten und Gärten von Palm Springs und Palm Desert er sie 2015 fotografiert hat (Albert Frey House, Schindler House, Richard Neutra, Frank Lloyd Wright …). Damit sind sie vor allem eine Hommage an die (heutigen) Denkmäler des Mid-Century-Modernism, die ab den 1930er Jahren in der kalifornischen Wüste errichtet wurden.


Aglaia Konrad

Wollte man Aglaia Konrads Interesse an Architektur mit Tags belegen, würden die folgenden Begriffe vorkommen: demolition, gentrification, urbanisation, economies, material transformation, fassadisme, lifespan reduction (in den 1990er Jahren gebaut und 2O Jahre später wieder abgerissen), failed architecture, contemporary ruins.
Konkreten sind in der Fotomontage MakeUp II Fotografien vom Arbeitslosenamt (1870 als erstes großes Kaufhaus von Belgien gebaut; in den 1980 zog das Arbeitslosenamt ein), sowie vom Abbruch eines flämisches Ministerium (Boudewijngebouw). Es wurde 1990 vom erfolgreichen Architektenteam Jaspers-Eyers gebaut. Ihre Bürogebäude werden jedoch nach 20-25 Jahre wieder abgerissen und bei denselben Architekten neu in Auftrag gegeben. Die Türen stammen aus einer schicken Brüsseler Galerie, die ein Herrenhaus erwerben konnte, als die Immobilien in Brüssel noch günstig waren.
In ihren Undecided Frames bringt sie ein zutiefst fotografisches Thema zum Ausdruck: Welche der beiden Aufnahmen ist die bessere? Welcher Ausschnitt, welche Distanz zum Motiv uvm. sind Entscheidungen, die jede/r Fotografierenden treffen muss.


Claudia Rohrauer

„Selbstporträt als Entwicklungstank entstand 2018. Im September 1998 stand der Entwicklungstank ganz oben auf der Liste mir vollkommen fremden Gegenständen, die für den Werkstättenlabor-Unterricht an der Abteilung für Photographie und AV-Medien an der Graphischen zu besorgen waren. Das war zu Beginn des ersten Schuljahres, damals war ich 14 Jahre alt. 22 Jahre nachdem ich meinen Namen in Großbuchstaben mit permanent Marker auf den leuchtend orangen Verschlussring geschrieben hatte, begreife ich diesen Akt, so pragmatisch er damals auch war, als den ersten, wenn auch unbewussten Versuch, mir das Medium anzueignen.“ (Auszug aus Claudia Rohrauers Beitrag zur Jubiläums-Publikation Die erste 30 Jahre – Photographie)


Anja Manfredi

Ausgangspunkt der Fotografien von Anja Manfredi ist ein Set roter Stangen, das zu Maria Montessoris „Sinnesmaterialien“ zählt und zum Erlernen ordnender, motorischer und begrifflicher Fähigkeiten ist. Im Lauf der Werkserie formiert Manfredi die Stangen um, ersetzt Holz durch Stoff und hält diese Inszenierungen z.B. mit einer Großformatkamera fest, oder als Fotogramme. Montessori vergleicht den „absorbierenden Geistes“ des Kindes mit dem Fotoapparat. Während der ersten Lebensjahre haben Kinder die Fähigkeit, Umwelteindrücke in ihrer Gesamtheit im Unterbewusstsein zu speichern. Sie werden im Dunkeln des Unterbewusstseins verarbeitet und treten später in geordneter Form, z.B. als Sprache, wieder zutage. Dieser geheimnisvolle Mechanismus ist mit jenem der analogen Fotografie vergleichbar. Die Kamera nimmt alle Bildinformationen auf, die durch die Linse eintreten. Im Dunkeln des Apparates werden diese gespeichert und zeigen sich schließlich nach dem Entwicklungsprozess auf dem Fotomaterial. (Jürgen Tabor)


Martin Bilinovac

Die Sehwege, die Martin Bilinovac so präzise für imaginäre Betrachter_innen gestaltet, beruhen auf Ruhe, Reduktion und formale Stringenz. Es sind symmetrische stillgestellte alltägliche Raumsituationen. Sie lenken die Wahrnehmung z.B. durch Perspektive, Manipulationen etc. ab und bringen den Blick – aus der Routine hinaus – ins Stolpern.
Die Gegenstände in Gravitation forcieren zudem die Reduktion des dreidimensionalen Raums, indem sie quasi gegen die Perspektive und damit gegen ein Raumgefühl angeordnet sind.


FOTOHOF
INGE-MORATH-PLATZ 1 – 3 | 5020 SALZBURG
0043 662 849296
www.fotohof.net

6. OKTOBER – 21. NOVEMBER 2020

DI – FR | 15 – 19 UHR
SA | 11 – 15 UHR
EINTRITT FREI