INNSIDE Innterview | Landrat Raimund Kneidinger

"Stolz auf das, was die Menschen hier leisten!"

PASSAU | 1. APRIL 2022

Es sind schwierige und unsichere Zeiten in Europa. Auch in unserer Region wächst die Betroffenheit. In solchen Zeiten ist es wichtig zu wissen, was vor sich geht und wie es weitergehen soll. Darüber und über eben auch weiterhin wichtige Themen, wie Kultur, Tourismus und Verkehr, konnten wir mit dem Passauer Landrat Raimund Kneidinger ein Gespräch führen.


Die Fragen stellte Gerd Jakobi | Fotos: Landkreis Passau
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Corona, Krieg, Klima und kein Ende der Krise in Sicht. Wie geht der Landkreis mit dieser schwierigen Situation um?

Das sind Herausforderungen, die unseren Landkreis in ganz unterschiedlicher Weise fordern. Zu Corona: Nach zwei Jahren Pandemie sind wir in der Situation von einerseits historisch hohen Inzidenzen und andererseits einer überschaubaren Belastung unseres Gesundheitssystems. Das darf uns optimistisch, aber nicht unvorsichtig machen. An den staatlichen Vorgaben können wir als Landkreis nichts ändern. Aber mein Appell ist ganz klar: Jeder kann durch sein individuelles Verhalten dazu beitragen, es dem Virus so schwer wie möglich zu machen. Dazu brauchen wir keine Regeln, dazu brauchen wir in erster Linie Verantwortungsbewusstsein und Solidarität.

Und Solidarität ist ein Stichwort, das bei der aktuellen und sicher größten Herausforderung des verbrecherischen Ukraine-Krieges ganz zentral ist. Ich sage es mit Stolz: Was ich in den letzten Tagen und Wochen an Solidarität für die Menschen in bzw. aus der Ukraine erleben durfte, ist bewundernswert. Unsere Landkreisbürgerinnen und -bürger leisten Großartiges, wir haben mittlerweile Hunderte von gemeldeten Wohnungen für die Geflüchteten, die Spendenbereitschaft ist ohne Beispiel und auch von Seiten des Landkreises sind wir bereit für die Erstaufnahme der Kriegsflüchtlinge. Und: Dieser Krieg hat deutlich gezeigt, wie wichtig eigene und vor allem regenerative Energieressourcen sind. Der Landkreis wird daher seine Nachhaltigkeitsstrategie gerade mit Blick auf die aktuelle Situation unvermindert weiterführen.

KEINE KULTUR ERSTER UND ZWEITER KLASSE ZULASSEN!

Die Lage der Kulturschaffenden im Landkreis ist durch die Pandemie nicht leichter geworden, gibt es hier Hilfestellung vom Landkreis und was tut sich auf diesem Gebiet insgesamt?

Ja, es ist völlig richtig: Die Kulturschaffenden hat die Pandemie besonders getroffen. Und während andere Berufsgruppen massiv Lobby-Arbeit betreiben konnten, war das bei Künstlerinnen und Künstlern – ähnlich wie auch bei vielen kleinen Selbstständigen – nur zum Teil der Fall. Die Kulturschaffenden im Landkreis profitieren von einer neuen Strategie der Förderung, die wir noch vor der Pandemie auf den Weg gebracht hatten. Dazu zählen etwa die neu konzipierte Landkreisgalerie mit freiem Eintritt und einem sehr breiten Themenangebot und ein Jahreskatalog der Galerie, der alle ausstellenden Künstler gleichermaßen berücksichtigt. Wir sparen nicht beim Ankauf von Werken regionaler Künstlerinnen und Künstler, die Kultursponsoren leisten gerade jetzt in der Pandemie noch mehr als ohnehin und der Austausch zwischen Kulturreferat und der Kunstszene vor Ort ist eng. Gemeinsam mit unserem Kulturreferenten Christian Eberle gehe ich den Weg, keine Kultur erster und zweiter Klasse zuzulassen. Beispiel Musik: Wir haben ein traumhaftes Sinfonisches Blasorchester, wir unterstützen Gartenzaun-Konzerte und geben eine großartige CD-Reihe mit echter Volksmusik heraus. Und ich könnte noch viel mehr nennen. Bildende Kunst, Jugendkunst, Literatur, Theater – und immer kommt Neues hinzu. Denn Kulturlandkreis bedeutet, dass Kultur und Landkreis Partner sind. Und an Partnerschaften muss man immer arbeiten.

KONKRETE ZIELE FÜR DEN ÖPNV VON MORGEN

Seit Ende letzten Jahres gibt es den Verkehrsverbund im ÖPNV mit weiteren Landkreisen und der Stadt Passau. Wie ist dieses Projekt angelaufen und wie soll es weitergehen?

Der Verbundtarif DonauWald (VDW) zwischen den Landkreisen Deggendorf, Freyung-Grafenau, Passau und Regen ist insgesamt sehr gut angelaufen und was ich an Rückmeldungen höre, wird er von der Bevölkerung äußerst positiv wahrgenommen. Neben einem vereinfachten und einheitlichen Ticketangebot über die Landkreisgrenzen hinweg werden Umweltfahrkarten für Schüler nochmals stärker vergünstigt, es gibt ein Seniorenticket zum halben Fahrpreis und über die neu eingeführte App vdw.mobil erhält man neben Auskünften zum Fahrplan auch die Möglichkeit, Handy-Tickets für den Bus zu erwerben. Aktuell wird neben einzelnen Optimierungen am
Außenauftritt und im Ticketing auch an einer weiteren Marketing-Kampagne für den VDW gearbeitet. Wir haben für den ÖPNV von morgen konkrete Ziele: Künftig sollen die Möglichkeiten für das Handy-Ticketing um weitere Fahrkarten erweitert werden. Zusätzliche Services für die App stehen momentan ebenfalls in der Entwicklungsphase, etwa im Sektor Rad & ÖPNV mit Nutzung sogenannter Mobilitätshubs. Darüber hinaus werden Gespräche mit der Stadt Passau über eine Verbesserung der gemeinsamen Kooperation und Verzahnung der beiden Tarifsysteme geführt

UNVERWECHSELBARES TOURISMUS-PROFIL

Der Tourismus hat auch enorm unter den Krisen dieser Zeit gelitten, ist aber ein wichtiger wirtschaftlicher Faktor im Landkreis Passau. Liegt aber nicht gerade in der internationalen Unsicherheit die Chance, den Menschen einen Urlaub in der Region ans Herz zu legen? Sozusagen „Urlaub dahoam“ vermehrt zu bewerben?

Die Fragestellung ist zugleich die Antwort, gratuliere! Sie haben völlig richtig erkannt: Wann, wenn nicht jetzt muss klar sein, wie sehr wir uns auf noch mehr heimische Urlaubsangebote konzentrieren müssen. Unser Tourismus hat in der Pandemie sehr gelitten, aber auch vom Trend zu „Urlaub dahoam“ profitiert. Andernfalls wäre der Einbruch noch viel stärker gewesen. Jetzt gilt es, sich dem touristischen Wettbewerb im eigenen Land verstärkt zu stellen. Dazu braucht es ein unverwechselbares Profil, dazu braucht es vor allem Emotionen. Schöne Landschaft und saubere Luft gibt es in vielen Ferienregionen. Das Passauer Land muss damit punkten, am Puls der Zeit zu sein, ein „Feeling“ zu vermitteln und zu zeigen, dass hier echte Gastlichkeit daheim ist. Diese Strategie verfolgen wir. Das verlangt von allen, die im Tourismus Verantwortung tragen und wichtige Aufgaben erfüllen, eine enorme Anstrengung, manchmal auch Umdenken und das Verlassen ausgetretener Pfade. Aber viele erfolgreiche Leuchtturm-Projekte in unserem Landkreis zeigen, dass sich die Mühe lohnt.

POLITISCHEN ASCHERMITTWOCH WIRD ES IMMER GEBEN!

Sie haben viele Jahre den politischen Aschermittwoch der CSU in Passau organisiert. Wie sehr hat es Sie geschmerzt, diese Großveranstaltung nun schon wiederholt abgespeckt bzw. überhaupt nicht veranstalten zu können? Wird es sie überhaupt wieder geben?

Natürlich hat es mich geschmerzt. Und allen, die seit Jahren im Veranstaltungsteam des Politischen Aschermittwochs arbeiten, ging es auch so. Aber in der Pandemie mussten ja viele Opfer bringen, oft sehr persönliche und nicht selten auch sehr bittere. Aber Sicherheit und Verantwortung gehen nun mal vor. Sie fragen mich nach der Zukunft des Aschermittwochs? Diese Veranstaltung wird es immer geben! Menschen begegnen Menschen – das ist der Markenkern des Politischen Aschermittwochs der CSU. Darum bin ich überzeugt, dass dieses unmittelbare Treff en mit der Politik eine Zukunft hat – in welcher Form auch immer.

Zur Innside-Flussfrage: Was finden Sie an unseren Flüssen am beeindruckendsten und können wir Sie nicht doch bewegen, uns einen Lieblingsfluss zu benennen?

Wer die INNSIDE liest, kennt diese Frage. Und ich gebe zu, dass ich mich vorbereitet habe. Dazu habe ich mal nachgeschaut, was ist überhaupt ein Fluss. Nun, sehr exakt ist die Definition nicht und vielleicht ist es ja für eine Rott oder eine Erlau diskriminierend, in der INNSIDE weniger gefragt zu sein. Darum möchte ich heute einmal eine Lanze für die vielen Bäche unserer Heimat brechen. Sie sind Naherholungsgebiete buchstäblich vor der Haustür. Und sie sorgen mit ihrem Wasser dafür, dass die Flüsse überhaupt so großspurig auftreten können.