INNSIDE INNTERVIEW | HILDEGARD STOLPER

SCHUTZ FÜR DIE UNSICHTBAREN IN UNSERER GESELLSCHAFT

PASSAU | 2. MAI 2023

Jeden dritten Tag wird in Deutschland eine Frau Opfer von vollendetem Mord und Totschlag oder Körperverletzung mit Todesfolge im Rahmen von Partnerschaftsgewalt. In Bayern sind es 49 im Jahr. Doch sind diese Zahlen nur die Spitze eines Eisberges. Den Tötungsdelikten geht meist eine jahrelange Misshandlung voraus. Diese Frauen und ihre Kinder, die sich in allerhöchster Not befinden, haben meist nur das Frauenhaus als Anlaufstelle. Wir sprachen mit Hildegard Stolper, Vorsitzende des Passauer Frauenhauses, über dieses heikle Thema und die Situation in unserer Region.


Die Fragen stellte Claudia Saller | Fotos: Gerd Jakobi
Image

Frau Stolper, der Schutz der schwächsten Frauen in unserer Gesellschaft ist Ihnen eine Herzensangelegenheit. Wie ist die Situation derzeit in unserer Region?

Unser Frauenhaus in Passau hat derzeit Platz für 9 Frauen und 20 Kinder. Zuständig sind wir für die Frauen in den Landkreisen Passau und Freyung-Grafenau sowie in der Stadt Passau (Anm. d. Red.: Gesamteinwohnerzahl 322.867 im Jahr 2019).

ZURÜCK IN DIE HÖLLE

Können Sie mit dieser Kapazität allen Frauen helfen, die Schutz suchen?

Nein. Wir müssen pro Woche 5 bis 10 Frauen und deren Kinder abweisen, die wir nicht unterbringen können! Diese Frauen zurück in die Hölle zu schicken, ist das Schwierigste an meiner Arbeit. Deswegen ist es dringend nötig, die Erweiterung unseres Hauses zu verwirklichen.

Die Erweiterung des Hauses um 5 Plätze für Frauen und um 10 Plätze für Kinder ist unbestritten nötig, und trotzdem müssen Sie darum kämpfen?

Die Kosten des Anbaus, ca. 950.000 Euro, muss der Trägerverein aus eigener Tasche bezahlen, das heißt, der Betrag muss durch Spenden finanziert werden. Fast die Hälfte davon konnten wir schon einsammeln, aber es fehlen noch 500.000 Euro. Von der öffentlichen Hand erhalten wir für den Neubau keine Zuschüsse, lediglich der laufende Unterhalt des Frauenhauses wird mit 90 % der Kostenübernahme unterstützt.

KAMPF UM ERWEITERUNGSBAU

Im Frauenhaus erhalten die Betroffenen mehr als eine Unterkunft, wie sieht die Hilfe für die Frauen und Kinder aus, wie lange bleiben die Bewohnerinnen bei Ihnen?

Die Bewohnerinnen dürfen bis zu einem Jahr in unserer Obhut bleiben, durchschnittlich verlassen sie uns nach einem halben Jahr. Wir sind ihnen bei der Suche nach einer geeigneten Wohnung und wenn nötig einem Arbeitsplatz behilflich, es sind im Frauenhaus aber auch Sozialarbeiterinnen, Erzieherinnen und Therapeutinnen für die Frauen und Kinder da. Wir kümmern uns um die Einschulung der Kinder aus dem Umland in eine Passauer Schule und um alle nötigen Formalitäten.

Wieviel Personal steht für diese Aufgaben zur Verfügung?

Das Frauenhaus wird von sieben Mitarbeiterinnen tagsüber getragen, 20 ehrenamtliche Helferinnen übernehmen die Nachtschichten und springen ein, wo es notwendig ist.

ICH HELFE, SO LANGE ICH KANN

Frau Stolper, Sie sind seit 1999 unermüdlich für die Unsichtbaren im Einsatz, übernehmen Nachtschichten, holen die Frauen und Kinder aus der Gefahrenzone, sammeln Geld, und das alles ehrenamtlich, was gibt Ihnen die Kraft dazu?

Ich habe schon vor meiner Zeit beim Frauenhaus ehrenamtlich in Altenheimen geholfen, das Helfen ist mir wohl in die Wiege gelegt. Aber als ich selbst von partnerschaftlicher Gewalt betroffen war und mich aus dieser Situation befreit habe, war mir bewusst, dass ich diesen Frauen und Kindern helfen muss. Und das tue ich bis heute und so lange ich kann.

Auch von Ihnen wollen wir wissen, ob es einen Fluss in Ihrem Leben gibt, der Sie geprägt hat?

Ja, die Ilz! Ich gehe immer noch ein bis zweimal in der Woche dort spazieren, genau wie mit meinem Vater in den 1950er Jahren, der auch ein richtiger Ilzfan war. Als ich noch in der Ilzleite wohnte hatte ich ein Kanu im Oberilzmühlstausee, mein Sohn schwärmt noch heute von den Frühstücksausflügen und unternimmt die jetzt auch mit seinen Kindern…ich liebe die Ilz!


Image

ROCK HILFT…
…DEM FRAUENHAUS

Zugunsten des Frauenhauses findet am Donnerstag, 27. Juli 2023, im Passauer Rathaus-Innenhof ein Benefizkonzert mit den STRANGE SEEDS, der Rockband aus Passau, die ihren Stil selbst als Heavy Organ-Driven Blues Rock beschreibt und den BANKSTERS, die schon mehrmals Ulmer Palastrock auf Passaus Bühnen brachten, statt.

Auch die 2. Passauer ROCKGALA des Vereins ROCK HILFT e. V., die am 9. Dezember 2023 in der X-Point Halle stattfinden soll, will Spenden für das Frauenhaus sammeln. Geplant ist ein Benefiz-Rock-Festival mit mehreren Bands, Foodtrucks und vielen weiteren Überraschungen…mehr demnächst hier im INNSIDE oder auf www.rockgala-passau.de