Paul Valentin und sein Orakel im Brunnen
True und False steht da in großen silbernen Buchstaben an der Wand – je nachdem, wie man es lesen möchte. Die Worte «Wahr» und «Falsch» stammen aus der mathematischen Computersprache. Wie der Prozessor des Computers trifft der Betrachter in Sekundenbruchteilen eine unumkehrbare Entscheidung, welches der beiden Wörter er liest und welches noch lange nach dem Erkennen im Gedächtnis bleibt. Schon in seinen früheren Arbeiten hat sich Paul Valentin, der Bildhauerei und Medienkunst an der Akademie der Bildenden Künste in München studierte, mit Paradoxien und philosophischen Fragen nach der Wahrheit beschäftigt. Und die Kunstwelt wurde aufmerksam. 2019 erhielt er den renommierten Karl und Faber Kunstpreis, ebenso den Preis des Akademievereins und ein Stipendium für Bildende Kunst der Stadt München. Aktuell ist eine große Arbeit von ihm im Haus der Kunst zu sehen. In Ranfels ist Paul Valentin gleich
Antonia Leitner gibt dem Zufall Raum
Mit der Wahrnehmung spielt auch die Bildhauerin Antonia Leitner. Sie zeigt in Ranfels ihr Meisterstück «Apate», die Täuschung, benannt nach einer Figur aus der griechischen Mythologie. Die Installation aus einem großen Hohlspiegel und einer davor schwebenden Bronzeplastik verwirrt den Betrachter, denn erst in der Interaktion entfaltet die Arbeit ihre Wirkung. Steht man davor und bewegt sich, scheint das glänzende Objekt ein Eigenleben zu entwickeln, es vervielfältigt sich, verzerrt oder verschmilzt in organische Formen. Die junge Bildhauerin hat für diese Arbeit den
Ekkehard Altenburger dekonstruiert die Kapelle
Mit Ekkehard Altenburger hält die große, weite Welt Einzug in das kleine Dorf im Sonnenwald. Altenburger, der auf einem Bauernhof nahe der Grenze zur Schweiz mit neun Geschwistern aufwuchs, leitet heute den Bereich Bildhauerei an der Kunstakademie in Hongkong. Seine Laufbahn startete er als Steinmetz an der Münsterbauhütte in Schwäbisch-Gmünd. Dann studierte er Bildhauerei an der Hochschule für Künste in Bremen und in Edinburgh. 1999 schloss er sein Masterstudium am Chelsea College of Art ab. Seitdem war er nicht nur in zahlreichen Ausstellungen im In- und Ausland vertreten, viele seine Arbeiten sind auch im öffentlichen Raum zu sehen. Ekkehard Altenburger ist einer der elf Künstler, der mit einer Plastik auf dem grenzüber-
schreitenden Skulpturenweg entlang des Rheins vertreten ist. Jetzt ist er mit «Compressed Belief Systems» auf dem Burggelände zu sehen. Vor drei Jahren war Altenburger in Ranfels zu Besuch und sofort von diesem Ort fasziniert. Die kleine Marienkapelle auf der Anhöhe inspirierte ihn zu einer monumentalen Spiegelarbeit. «Ich lebe in Hongkong, der Stadt mit der höchsten Bevölkerungsdichte auf dem Planeten. Der Standort für die Kapelle ist das genaue Gegenteil. Der Felsen der Burg bildet ein malerisches Tableau für Schloss, Kirche und Kapelle. Der Ort strahlt Solidität und Beständigkeit aus, die anderen Orten oft fehlen.»
Der Bau, so wurde schnell klar, stellt eine enorme Herausforderung dar, da es in der gesamten Konstruktion keinen einzigen rechten Winkel gibt. Auf dem Gelände ist jetzt das Modell von «Compressed Belief Systems» zu sehen. Die etwa ein Meter hohe Skulptur scheint beinahe überirdisch, wie sie auf einem hohen Sockel schwebt und die Landschaft und den Himmel spiegelt. Aber auch hier trügt der erste Schein. Die versilberte Schwester der Marienkapelle ist in verzerrten Formen dargestellt, die Winkel sind verzogen, der Bau kippt und droht beinahe zu versinken. «Selbst Religion verliert die Kapazität, Ruhe zu bieten, und die tektonischen Platten unserer Gesellschaft scheinen instabil geworden zu sein. Die Arbeit an Compressed Belief Systems ist eine verzerrte Version der Realität, spiegelt aber auch die Zeit wider, in der wir leben.» So beschreibt Altenburger seine Gedanken zur Spiegelkapelle, die ihn seit drei Jahren in der Planung und Konstruktion beschäftigt. Es ist eine einzigartige Arbeit und die Vision des Künstlers und der Ausstellungsmacher ist es, die Installation nächstes Jahr in voller Größe zu realisieren. Allen ist klar, dass dieses schwierige Projekt mit sechs Metern Höhe nur durch den Einsatz von hochqualifizierten Personen vor Ort realisiert werden kann. «In den letzten Monaten haben wir hart an vielen technischen Problemen gearbeitet, jetzt haben wir die Lösung und könnten die große Spiegelkapelle nächstes Jahr aufstellen.» Zur Finanzierung soll der Verkauf von sieben Editionsarbeiten aus Edelstahl beitragen. Ein Exemplar ist ab dem 7. Juli bereits in Ranfels ausgestellt.
Monika Supé baut verwunschene Häuser
Auch Monika Supé beschäftigt sich mit Bauwerken und deren abstrakter Verfremdung in ihren künstlerischen Arbeiten, für die sie zahlreiche Auszeichnungen erhalten hat. Die Architektin promovierte zum Thema des visuellen Wahrnehmungstrainings, sie ist Dozentin und war unter anderem an der Akademie für Mode und Design in München als Professorin für Raumgestaltung und an der IUBH / Internationale Hochschule als Professorin für Architektur und Gestaltung tätig. Seit Jahren experimentiert sie mit den Grenzen von Körpern zu Räumen und bezeichnet ihre Arbeiten als «plastische Grafik». In der Wunderkammer von Burg Ranfels zeigt Monika Supé Reusenhäuser, die fantastisch anmuten. Es sind kokonartige Objekte aus gehäkeltem Draht, die beinahe schweben und den Raum und die Zeit mit großer Leichtigkeit auszuloten scheinen.
Ab Oktober ist dann die monumentale Landschaftsinstallation «home is ...» mitten auf dem Weiher von Ranfels zu sehen. Es ist ein archaisch wirkendes Häuschen aus Holz und Fichtenzweigen – das Sinnbild für Zuhause – gebaut in menschlichem Maßstab. Und doch schwimmt es unerreichbar auf einer Plattform im Weiher. «Unser Verhältnis zur Natur ist ambivalent», sagt die Künstlerin. «Was genau suchen wir heute in ihr? Das verklärte Bild einer Ideallandschaft? Ein unerreichbares, paradiesisches Arkadien und ein Leben in Harmonie mit der Natur? Oder handelt es sich, wie Brecht sagt, um bloße ‘Schwärmerei für die Natur’?» Eine filmische Langzeitdokumentation wird zeigen, wie sich die Natur die Behausung im Laufe der Monate zu eigen macht.
Ausstellungseröffnung mit geführtem Rundgang
Die Ausstellung wird am 7. Juli um 17 Uhr eröffnet. Um 18 Uhr findet unter dem Motto «Wie geht Kunst?» ein Rundgang und Gespräch mit den KünstlerInnen statt, das von Armin Kratzert moderiert wird. Der Eintritt ist kostenfrei.
Die Arbeiten sind bis November am alten Schulhaus in Ranfels, auf dem Weg zur Burg und auf dem Burggelände zu sehen. Von allen KünstlerInnen sind bis zum Ende des Jahres auch Werke in der Wunderkammer zu sehen. Öffnungszeiten der Wunderkammer auf Anfrage.
Burg Ranfels | Schloßbergweg 5 | 94579 Ranfels | www.burg-ranfels.de | kontakt@burg-ranfels.de